Bob Mould sagt selbst über sein neues Album „Blue Hearts”, es seien die eingängigsten Protestsongs, die er je in einem Rutsch geschrieben hat. Und die 14 Songs auf seinem inzwischen 14. Soloalbum zeigen einen wütenden Bob Mould, der sich durch die Ereignisse in der Zeit zurück gerissen sieht.
Eine wütende Abrechnung mit Gegenwart und Vergangenheit, mit dem, was der Klimawandel mit unserer Erde macht, was die Menschen mit ihrem Verhalten mit uns allen machen und er reist mit einem Déjà-Vu-Gefühl zurück in die Vergangenheit der frühen 80er Jahre.
Bob Mould packt mich auch deshalb mit diesem Album. Die Wut in seinen Songs ist die Wut, die auch ich immer wieder in mir spüren kann, gepaart mit einem sehr ähnlichen Déjà-Vu-Gefühl an die damalige Zeit.
Ich kenne sie nur zu gut, die Hexenjagd auf HIV-Positive. Anders, als Bob Mould sie in den USA erlebt hat, dafür in einer deutschen Kleinstadt, in der eine Freundin von mir eine Menge Scheiße erlebt hat, nachdem sie sich bei einer Bluttransfusion infiziert hatte. Ich kenne sie von den Schwulen, die positiv waren und auf die sogar in der LGBT-Community mit den Fingern gezeigt wurde. Meine Freundin ist schon viele Jahre tot, auch die anderen, die ich kannte, die sich damals infiziert hatten, keiner lebt mehr von ihnen. Was immer noch lebt, ist die Wut in mir, auf die Hexenjagden, die Ausgrenzungen, das ganze wirre Denken in den Köpfen, man könnte sich anstecken, wenn man einen HIV-positiven Menschen auch nur berührt. Es ist die Wut auch auf christliche Fundamentalisten, die damals in AIDS die Seuche und Strafe Gottes sahen.
I never thought I’d see this bullshit again.
Bob Mould – American Crisis
To come of age in the ’80s was bad enough.
We were marginalized and demonized.
I watched a lot of my generation die.
Welcome back to American crisis. No telling what the price is.
Genau das kehrt in unserer Zeit wieder, in der es Evangelikale gibt, die in der Covid-19-Pandemie eine Geißel Gottes sehen. Die Wut in Bob Mould, die damals in ihm war, und vermutlich wie bei mir nie ganz wegging, wird dadurch neu befeuert. Mould hat sie in Songs gepackt, eine Reihe von Protestsongs gegen all das, was ihn heute und auch damals angekotzt hat.
They burned our history books
Bob Mould – Next Generation
And put trackable knowledge in our hands
They stream a fountain of lies
With alarming frequency
Wir leben in einer Welt, in der eine Menge Arschlöcher populistische Scheiße erzählen und andere in die Irre führen. Damals wie heute. Und es bleibt zu hoffen, dass Musiker wie Bob Mould Gehör finden bei denen, die im November dieses Jahres in den USA mit ihren Stimmen die Wahlmänner und Wahlfrauen für die US-Präsidentenwahl bestimmen, damit Donald Trump nicht mehr wiedergewählt wird und die Fundamentalisten mit ihrem ganzen Rassismus, ihrer Homophobie und ihrer Menschenfeindlichkeit und ihrer Sucht nach Protektionismus wenigstens einen Teil ihres Einflusses auf die US-amerikanische Politik wieder verlieren.
Vielleicht mag das die schlechteste Review sein, die ich in all den Jahren geschrieben habe. Aber die Wut im Bauch kann nicht immer schweigen – so wie Bob Mould nicht schweigt, sondern sich auf Blue Hearts eine Menge Luft macht.
Bob Mould neues Album Blue Hearts ist bei Merge Records erschienen. Die Scheibe gibt es in limitierter Auflage auch als Three Color Vinyl Edition.
Bob Mould – Blue Hearts Tracklist
Bob Mould – Blue Hearts A-Seite
A1 Heart On My Sleeve
A2 Next Generation
A3 American Crisis
A4 Fireball
A5 Forecast Of Rain
A6 When You Left
A7 Siberian Butterfly
A8 Everyth!ng To You
Bob Mould – Blue Hearts B-Seite
B1 Racing To The End
B2 Baby Needs A Cookie
B3 Little Pieces
B4 Leather Dreams
B5 Password To My Soul
B6 The Ocean