Borowski und der freie Fall – TV-Kritik zum NDR-Tatort

“Borowski und der freie Fall”, so heißt der neue NDR-Tatort, der am Sonntag, den 14. Oktober 2012 von der ARD ausgestrahlt wird. Und es ist ein Jubiläums-Tatort, denn Axel Milberg ermittelt zum 20. Mal als Kommissar Borowski in Kiel. Wobei die Ermittlungen ihn in diesem Fall bis in die Schweiz führen, denn Hintergrund der Morde, in denen Klaus Borowski und Sarah Brandt (gespielt von Sibel Kekilli) ermitteln, ist der Tod von Uwe Barschel.

Doch wer ist eigentlich Uwe Barschel? Für viele mag diese Frage ignorant klingen, doch bei mir, die ich mir ungern vorher durchlese, worum es in einem Krimi geht, hat dieser Name nicht viel mehr als ein leises Klingeln im Hinterkopf ausgelöst. Das mag daran liegen, dass ich erst Anfang der Neunziger geboren wurde und so den Fall Barschel nicht miterlebt habe. Es hat auf jeden Fall aber dazu geführt, dass ich nur schwer Zugang zu diesem Tatort finden konnte.

Tatort Borowksi und der freie Fall Borowski (Axel Milberg) und Sarah Brandt (Sibel Kekilli) finden Hinweise, dass der Tote in Genf gewesen sein muss. © NDR/Marion von der Mehden

Denn die drei Toten, deren Leichen im Laufe des Krimis auftauchen, verbindet eben genau diese eine Sache: Der mysteriöse Tod des schleswig-holsteinischen Ministerpräsident Uwe Barschel in einem Hotel in Genf 1987. Bis heute konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob es sich dabei um einen Suizid oder Mord handelte. Und nun wollen sich zwei Tatort-Kommissare daran machen, das große Rätsel zu lösen?

Nun, nicht ganz. Denn der Fall Barschel bildet wie gesagt nur den Hintergrund für Borowskis aktuellen Fall. Im Vordergrund steht erst einmal der Mord an Dirk Sauerland, einem bekannten Kieler Autor. Dieser ist, wie seine Ex-Frau Borowski verrät, eigentlich schwul und schnell stellt sich heraus, dass er auch bereits seit Jahren in einer geheimen Beziehung lebt und sich nun angeblich outen wollte. Doch damit nicht genug, denn Sauerland ist zudem noch Alkoholiker und der traditionsreiche Familienbetrieb steht auch kurz vor dem Aus.

Die Art wie Sauerland und seine Ex-Frau Ulla Jahn sowie der frisch ernannte Minister Karl Martin von Treunau und seine Familie dargestellt werden, wirkt schnell überzeichnet. Spätestens als dann die Verbindung zum Fall Barschel klar wird und die ersten Verschwörungstheorien auftauchen, fragt man sich, worauf genau der NDR mit diesem Tatort eigentlich hinaus will, denn durch den thematischen Overload wirken die Ermittlungen schwammig und die Geschichte ist nur schwer nachzuvollziehen und kaum greifbar.

Daran können auch die beiden Ermittler nichts ändern, denn zwischen der teils sehr überdreht agierenden Sibel Kekilli und dem im Vergleich dazu geradezu träge wirkenden Axel Milberg kommt auch im vierten Fall als offizielle Partner keine richtige Dynamik auf. Ob durch die Schauspieler selbst oder dank schlechter Drehbücher, den Dialogen zwischen den Beiden fehlt es an Überzeugungskraft und Schlagfertigkeit.

Alles in allem ist Borowskis 20. Fall ein Tatort, bei dem man sich, so hat es zumindest auf mich den Eindruck gemacht, beim Versuch ein so großes Thema wie den Fall Barschel einzubinden, ein wenig verrannt hat. Herausgekommen sind dabei gut anderthalb Stunden, die sich nicht so recht darüber im Klaren zu sein scheinen, was sie dem Zuschauer eigentlich vermitteln sollen. Ist das ganze nun ein Verschwörungskrimi? Oder eher ein Politthriller? Oder vielleicht doch nur ein Beziehungsdrama? Oder aber ein kleines bisschen Gesellschaftskritik?

Der NDR-Tatort “Borowski und der freie Fall” am 14. Oktober um 20:15 Uhr im Ersten

Tatort Borowksi und der freie Fall Minister von Treunau (Thomas Heinze) verschweigt etwas. © NDR/Marion von der Mehden

Besetzung und Stab

Rolle – Darsteller
Klaus Borowski – Axel Milberg
Sarah Brandt – Sibel Kekilli
Karl Martin v. Treunau – Thomas Heinze
Ulla Jahn – Marie-Lou Sellem
Roland Schladitz – Thomas Kügel
Ernst Klee – Jan Peter Heyne

Regie: Eoin Moore
Buch: Fred Breinersdorfer und Eoin Moore
Kamera: Jana Marsik
Musik: Wolfgang Glum, Warner Poland und Kai Uwe Kohlschmidt