Müsste man ein Album benennen, dass die letzten gut 1 ½ Jahre in musikalische Worte fasst. Dann wäre das neue Sam Evian Album „Time To Melt“ mit dabei. Auf den ersten Blick ein schwerelos anmutendes Album über die Zeit, die unser aller Leben durcheinandergebracht hat. Auf den zweiten ein tiefer Blick in unsere Seelen – und ja, auch in die Abgründe unserer Gesellschaft.

Musik, die leicht daherkommt, gefärbt mit tiefgründigen Texten, die dich, wenn du wirklich zuhörst, auch in andere Zeiten deines Lebens zurückführen kann. Mir zumindest geht es so mit „Knock Knock“, für mich persönlich der beste Song auf „Time To Melt“. Auch wenn der Rassenkampf in den USA nicht vergleichbar ist mit dem Rassismus in Deutschland, und Armut dort noch schlimmer ist als hierzulande. So hält der Song der Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, den Spiegel vor. Ein Ort, an dem Rassismus und Ausgrenzung zur widerlichen Fratze des Alltags gehörten. In dem auch schon im Kindergarten und in der Grundschule zu spüren war, dass es zwei Klassen gibt in unserer Gesellschaft.

Living in America, we tell ourselves almost anything but truth
We drive and we drive and we drive and we drive and we drive
‚Til there’s no one to step to
‚Cause you’re out there and I’m in here
Don’t come knockin‘, I got my reasons
And that’s what keeps us tied to a system that’s all wrong
Incredible weakness

Sam Evian – Knock Knock

„’Knock Knock‘ ist ein Lied des Mitleids“, sagt Sam Evian selbst über seinen Song „Knock Knock“. „Es ist ein Gespräch mit meinen Geschwistern und wirklich jedem anderen mit gutem Gewissen. Wir reden viel über die kleine Stadt im Osten von North Carolina, in der wir aufgewachsen sind und warum wir gegangen sind. Als wir aufwuchsen, sahen wir viel Rassismus, Gewalt, Armut, Ungleichheit, Ignoranz… all das nicht so versteckt unter dem Schleier südlicher Gastfreundschaft und dogmatischer Überzeugungen. Ein Jahr nach der Ermordung von George Floyd hoffe ich, dass wir das Gespräch am Laufen halten können. Der Schleier wird gelüftet, damit alle es sehen können. Klopf klopf Wer ist da? Ein zerbrochenes Amerika.“

Es ist wichtig, dass es solche Songs gibt, solche Alben, die hinterfragen. Und die zugleich eben nicht musikalisch schwermütig daherkommen mit Betroffenheitslyrik, die zumindest ich meist nur noch schwer ertragen kann. Stattdessen klare Botschaften und trotzdem umfasst mit fast schwerelosen Melodien, die einem zugleich den Weg zu weisen scheinen, ja, es geht anders, wenn du etwas mit diesen Dingen machst, sie umkehrst in deinem Leben und sie zu etwas Gutem formst.

Sam Evians neues Album „Time To Melt“ feiert heute Release-Day und ist zugleich sein erstes Album auf seinem neuen Label Fat Possum.

Sam Evian – Time To Melt Tracklist

1. Freeze Pops
2. Dream Free
3. Time To Melt
4. Knock Knock
5. Arnolds Place
6. Sunshine
7. Never Know
8. Lonely Days
9. Easy To Love
10. 999 Free
11. Around It Goes