Vor kurzem hat der deutsche Singer-Songwriter Timo Scharf seine neue EP „Everything Ever Always Is All Forgotten“ veröffentlicht. Im Interview mit LaTrash.de spricht er über sein neuestes Werk und seinen Weg zur Musik.
Timo, Du kommst aus Braunschweig, aber entdeckt wurdest Du in Schottland. Nicht gerade der übliche Weg für einen deutschen Straßenmusikers. Wie kam es dazu?
Hi. Oh, entdeckt – das klingt so wie im Märchen. Ich würde sagen ich bin sehr viel herumgekommen und habe letztendlich in Schottland das Umfeld gefunden was ich brauchte um als Musiker zu wachsen. Rod Jones ist im Rahmen eines Songwriting Workshops auf mich aufmerksam geworden, den ich belegt hatte um mein Schreibstil zu verbessern. Daraus ist eine Zusammenarbeit entstanden. Rod hat mir das Gefühl gegeben etwas gut zu können und mich darin bestärkt mich zu zeigen. Wenn jemand den man sehr respektiert und dessen Meinung für einen eine gewisse Tragfähigkeit hat, an einen glaubt, dann kann das sehr beflügeln. Mir hat die Arbeit in Schottland Vertrauen in mich und meine Arbeit gegeben und dort viele Türen geöffnet.
Vor kurzem hast Du Deine neue EP „Everything Ever Always Is All Forgotten“ erschienen. Warum ausgerechnet dieser Titel, der ja nicht gerade eingängig ist, und trotzdem so viel zu sagen scheint…
Ich finde, dass der Titel die EP inhaltlich gut zusammenfasst. Ich war beim Schreiben diesmal so frei, dass ich mir nicht viele Gedanken darüber gemacht habe ob der Titel sich jetzt gut auf nem Albumcover macht oder gut klingt. Ich habe alles sehr intuitiv entschieden.
Bei „Everything Ever Always Is All Forgotten“ hast Du wieder mit Rod Jones zusammengearbeitet. Wie kam es zu dieser erneuten Zusammenarbeit? Und warum ausgerechnet jetzt in einer Zeit, wo selbst kurze räumliche Entfernungen Welten bedeuten können?
Naja, wir hatten beide viel Zeit! (lacht) Da das Live Geschäft einfach seit so vielen Monaten brach liegt hatte ich das Gefühl ich müsste mich unbedingt anders künstlerisch betätigen. Schreiben kann ich allerdings nicht auf Knopfdruck. Dieses nichts tun und abwarten hat eine innere Unruhe in mir ausgelöst. Ich habe mich regelrecht unter Druck gesetzt doch jetzt unbedingt etwas sinnvolles mit meiner Zeit anfangen zu müssen. Ich hatte das Gefühl unbedingt kreativ sein zu müssen, wenn ich schon nicht auf der Bühne stehen kann. Als ich mich über dieses Gefühl mit anderen Künstlern ausgetauscht habe, stellte ich fest, dass es vielen so ging – und dass das völliger Quatsch ist. Ich habe also aufgehört auf Teufel komm raus zu schreiben und nach ein paar Wochen floß die EP einfach aus mir raus.
Ich habe also aufgehört auf Teufel komm raus zu schreiben und nach ein paar Wochen floß die EP einfach aus mir raus.
Timo Scharf über das Schreiben an seiner neuen EP
Das ist es auch was mich am Musik schreiben so unendlich fasziniert. Eine Idee kommt aus dem Nichts und ein paar Stunden später ist ein Song da den es vorher nicht gegeben hat. Was da passiert oder wie das geschieht ist für mich immer noch etwas übernatürlich Schönes. Als dann ein paar Ideen da waren habe ich Rod angerufen und ihn gefragt ob er Lust hat mitzuschreiben. Alles hat sich irgendwie ganz natürlich entwickelt. Auch die Arbeitsweise war kein Problem – jedenfalls nicht bis zum Recording (lacht) Wir haben uns unsere Fortschritte immer via wetransfer hin und her geschickt und via Videochat final alles besprochen bis es fertig war. Das ging erstaunlich entspannt. Am Ende alles remotely aufzunehmen war allerdings eher anstrengend und hat für Irritationen gesorgt. Wir haben sowohl in Rod´s Studio in Edingburgh, sowie in meinem Wohnzimmer in Braunschweig als auch in zwei Studios in Hamburg aufgenommen. Die meisten beteiligten Musiker sind sich leider persönlich gar nicht begegnet. Es gibt Musiker die regelmäßig so arbeiten. Für mich eher eine abenteuerliche Erfahrung.
Deine Stimme ist, für einen deutschen Sänger, sehr ungewöhnlich, finde ich. Wie kamst Du überhaupt zur Musik und was oder wer hat Dich auf diesem Weg besonders inspiriert?
In meiner Kindheit hatte ich nicht viel Kontakt zur Musik. Meine Eltern haben immer viel gearbeitet. Weder meine Eltern noch meine Geschwister spielen ein Instrument. Wir hatten auch keine Instrumente zuhause also habe ich angefangen zu singen. Als ich klein war hat das vor allem meine Geschwister in den Wahnsinn getrieben. Irgendwann bin ich dem Schulchor beigetreten und hab später kurzzeitig in der Kirche gesungen, aber der richtige Einschlag kam mit elf oder zwölf Jahren als mein großer Bruder mir zu meinem Geburtstag Nirvanas Nevermind auf Musikkassette schenkte. Boom.
So wie heute die Jugendlichen Youtuber werden wollen, wollten damals einfach viele Musiker werden. Etliche meiner Freunde haben angefangen Gitarre oder Drums zu spielen. Sobald es ging wurden Garagen Bands gegründet.
Timo Scharf im Interview mit LaTrash.de
Ich habe nichts anderes mehr gemacht als diese Kassette zu hören. Den ganzen Tag – ich habe das Tape überall mit angeschleppt und es sogar meinen Lehrern in der Schule vorgespielt. Es war für mich eine unglaubliche Entdeckung. In den Neunzigern drehte sich sowieso gefühlt alles um Musik. Nach der Schule zu Schauland um die neusten Cd´s auszuchecken und mit den coolen Erwachsenen zu rezensieren, zuhause MTV gucken und laut Rage Against The Maschine hören bis die Eltern kommen.
So wie heute die Jugendlichen Youtuber werden wollen, wollten damals einfach viele Musiker werden. Etliche meiner Freunde haben angefangen Gitarre oder Drums zu spielen. Sobald es ging wurden Garagen Bands gegründet. Dauernd waren irgendwelche Bands in der Stadt. Sogar in Braunschweig (kann man sich heute kaum vorstellen). Ich habe Bands wie Dog Eat Dog, Fünf Sterne Deluxe, Ozzy, System of A Down, Dynamite Deluxe, Absolute Beginner oder die Beatsteaks in Braunschweig spielen sehen. Verdammte scheiße sogar Method Man und Redman haben in BS gespielt. Der fucking Wu-Tang Clan – in meiner kleinen Stadt. Jedenfalls hat sich mein Wunsch selbst auf der Bühne zu stehen schon in dieser Zeit stark manifestiert. Aber um das zu können musste ich erstmal wirklich zum Musiker werden. Das hieß leider ackern. Damit habe ich erst spät angefangen. Zwar habe ich immer viel geschrieben aber konnte kein Instrument spielen. Also habe ich in Rock und Punkbands als Sänger angeheuert. Mit Anfang zwanzig hab ich mir dann endlich meine erste Gitarre leisten können und fing an, unabhängig von anderen, Musik zu schreiben. Seitdem übe ich das. 🙂
Deine neue EP kommt inmitten einer Zeit, die alles andere als gewöhnlich ist. Warum gerade jetzt? Und hattest Du überlegt, mit der Veröffentlichung zu warten, bis unser Leben wieder halbwegs normal ist und Du Deine Songs auch auf einer kleinen Tour oder Ähnliches vorstellen kannst?
Als ich anfing an der EP zu arbeiten hatte ich gar nicht im Sinn sie zu veröffentlichen. Erstmal lohnt es sich finanziell nicht wenn man sie nicht auf die Bühne bringen kann und zweitens arbeitete ich in dieser Zeit parallel an einem neuen Projekt, war im Kopf also eigentlich wo ganz anders. Als sie aber Gestalt annahm fand ich sie so schön, dass ich dachte es würde den Leuten vielleicht gefallen etwas Neues von mir zu hören – gerade in dieser eher eintönigen Zeit.
Überhaupt diese Zeit. So schwer es ist, Pläne zu machen, lass mich Dir trotzdem die Frage stellen, was Deine musikalischen Pläne für die nächsten 12 Monate sind.
Naja, ich möchte natürlich so viel Live spielen wie möglich – aber was möglich ist ändert sich ja leider von Woche zu Woche. Es ist also alles nichts so richtig planbar, deshalb habe ich mich schon stark aufs Schreiben neuer Musik ausgerichtet. Derzeit arbeite ich an einem neuen Projekt. Damit möchte ich in den kommenden Monaten mehrere Singles veröffentlichen.
Danke für das Interview. Dir noch alles Gute für Deine weitere musikalische Reise. Und bleib gesund!
Das wünsche ich ebenso. Vielen Dank für Dein Interesse. Grüße, Timo