Jenobi im Interview über ihr Debütalbum, wie sie zum Bass spielen kam und Frauen in der Musikbranche

Jenny, als erstes liegt natürlich die Frage nach Deinem Pseudonym auf der Hand. Warum ausgerechnet Jenobi und welche Bedeutung hat dieser Name für Dich selbst?

Ich habe vieles ausprobiert, bevor ich mich für Jenobi entschieden habe. Ganz am Anfang habe ich Songs unter meinem Geburtsnamen Jenny Apelmo Mattsson, oder abgekürzt Jenny Apelmo herausgebracht, aber da ich in Deutschland wohne, habe ich schnell gemerkt, dass es für viele schwierig war meinen Namen richtig auszusprechen und ich musste häufig meinen Namen wiederholen.

Jenobi fand ich erstmal lustig, weil ich ein großer Star Wars Fan bin. Es ist wie Obi-Wan Kenobi mit J statt K. Jenobi hat sich für mich dann ganz schnell zu einer Art Alter Ego entwickelt, eine starke Jedi Heldin bzw. eine große, mutige Schwester, die einem immer den Rücken freihält. Gleichzeitig traut sie sich verletzbar zu machen und schwere Gefühle oder Gedanken auszusprechen, die ich mich in meinem Alltag oder damals in meiner Kindheit nicht getraut habe zu äußern.

Dein Debütalbum „Patterns“ ist mitten in der Pandemie erschienen. Wie gravierend waren die Auswirkungen auf Deinen Soloweg als Sängerin? Und wo stehst Du jetzt mit diesem Weg?

Der Entstehungsprozess von Patterns begann schon 2016 und wurde erst drei Jahre später abgeschlossen. Es ist auf jeden Fall schwierig eine Platte, an dem man so viel gearbeitet hat, in einer Pandemie zu veröffentlichen – besonders als Newcomer:in. Ich habe schon mit einer anderen Band Alben veröffentlicht und neue Musik herauszubringen, bedeutete immer zwei längere Touren und mehrere Festivalauftritte. Es ist immer sehr wichtig viel aufzutreten, um möglichst viele Leute erreichen zu können, was wegen der Pandemie nicht möglich war. Mit Grand Hotel van Cleef und meiner Liveband haben wir das Beste daraus gemacht, aber auch wenn Lösungen wie zum Beispiel Gartenkonzerte zu spielen sehr schön sind, zahlen sie leider nicht die Miete und haben leider nie die gleiche Reichweite. Damit ein Großteil der Musikindustrie existieren kann, ist es notwendig, dass die Pandemie so schnell wie möglich vorbei ist.

Das 2G bzw. 2G+- Konzept ist sehr Hilfreich, aber im Moment sehe ich nur eine höhere Impfquote als einzige Möglichkeit, die Situation langfristig zu verbessern. Livekonzerte für ein Publikum, auch für ein größeres Publikum spielen zu können ist für mich und für die meisten von meinen Kolleg:innen einfach ein Muss, sonst können wir nicht von der Musik leben.

Und magst Du ein wenig mehr über Dein Album erzählen? Warum genau diese Songs und in genau dieser Reihenfolge? Was ist für Dich der rote Faden bei „Patterns“ und wie konntest Du Deine Vision von Deinem ersten Soloalbum darin umsetzen?

Die Songs auf Patterns habe ich geschrieben, während ich mit einer schweren Depression zu kämpfen hatte. Um da herauszukommen, musste ich mich mit meinen eigenen Verhaltensmustern auseinandersetzen, die ich während meiner Kindheit und Jugend erlernt habe. Jedes Lied handelt in irgendeiner Form von destruktiven Strukturen, aus denen ich versucht habe auszubrechen und das ist auch der rote Faden des Albums.

Die Reihenfolge war eigentlich ziemlich früh klar. Ich finde es sehr schön, ein bisschen DJ sein zu können, wenn ich Reihenfolgen entscheide. Ein Album muss für mich „rund“ klingen und die Songs sollen am besten ineinander übergehen. Das Lied „Intro“ handelt davon, wie Ereignisse aus meiner Kindheit mich heutzutage immer noch beeinflussen, obwohl sie teilweise mehr als 20 Jahre alt sind und ich in einem anderen Land wohne. Es ist wie eine Einführung. Am Ende kommt das Lied „Rewind“, was natürlich allein vom Songtitel her ein perfektes letztes Lied ist, haha. Da bin ich textlich wieder zurück in Schweden, aber mit ein viel schöneren Gefühl als im Intro. Es ist, als ob die ganze Platte eine sehr schwierige Zeit verarbeitet und am Ende ist man auf der andere Seite des Tunnels rausgekommen und kann teilweise vielleicht sogar ein bisschen Frieden damit schließen.

Die Vision, die ich hatte als ich Jenobi gegründet habe, war allein Musik zu schaffen, ohne Kompromisse machen zu müssen. Ich wollte auch gerne ein Album selbst produzieren und so viele Instrumente wie möglich selbst einspielen. Das habe ich als eine tolle Herausforderung gesehen. Die einzigen Personen, die ich mit ins Boot geholt habe, sind Felix Roll, der Schlagzeug auf der Platte spielt und am Ende mit mir der Produktion mitgemacht hat und Sönke Torpus, der Felix und mich aufgenommen und gemischt hat. Die beiden waren aber mit meiner Vision einverstanden und wir drei sind uns sehr vertraut, was der Prozess sehr harmonisch gemacht hat.

Du singst nicht nur, sondern bist Bassistin. Wie bist Du zum Bass spielen gekommen? Leider gibt es ja immer noch viel zu wenige Musikerinnen, die sich diesem Instrument verschreiben, weshalb dies nach wie vor hauptsächlich eine Männerdomäne ist.

Ich habe mich in E-Bass verliebt als ich mit 12 auf einem Paul McCartney-Konzert war. Ich stand im Publikum und habe mir gedacht – genau das will ich auch. Beide meinen Eltern haben mit Musik gearbeitet und auch unter anderem Bass gespielt – es war also sehr leicht zugänglich für mich. Kurz nach dem Paul McCartney-Konzert habe ich angefangen, Bass in einer Bluesband auf der staatlichen Musikschule Göteborgs zu spielen. Ich war schnell sehr ehrgeizig und wollte einfach alles können, alles wissen. Bass zu spielen hat mir irgendwie einen Sinn und eine Zukunftsvision gegeben. Dazu hatte ich immer sehr viele tolle Bass- und Musiklehrer:innen, die mich sehr gepusht haben und an mich geglaubt haben. Das haben nicht alle, besonders glaube ich leider, werden junge Mädchen nicht oft genug mit ihren Träumen unterstützt. Die Instrumentalist:innen meiner Generation zumindest sind mit viel zu wenig weiblichen Vorbildern aufgewachsen. Außerdem war ich sehr schüchtern und ruhig in der Schule, wenn meine Lehrer:innen mich nicht so gepusht hätten, hätte ich mich vielleicht nicht getraut eine Karriere als Bassistin zu machen. Aber sie haben mich immer gesehen und mir gesagt, dass ich eine richtig gute Bassistin bin, und dass ich an mich glauben sollte, was sehr wichtig für mich war damals.

In meinen 10 Jahren als freiberufliche Bassistin in Deutschland ist mir klar geworden, dass viele nicht verstehen oder überhaupt nachvollziehen können das Frauen auch Instrumentalistinnen sein können, die Übung und Zeit in ihr Instrument investieren wollen. Seitdem ich Bass spiele, wurde meine Entscheidung Bassistin zu werden nach quasi jedem Konzert von Leuten aus dem Publikum in Frage gestellt. Auch von männlichen Kollegen habe ich mich oft unterschätzt gefühlt. Wenn sie überhaupt checken, dass ich tatsächlich trotz meines Geschlechtes eine kompetente und „nerdige“ Bassistin bin die wirklich jeden Tag zu Hause sitze und Bass übe, reagieren sie mit „WOOOW für eine Frau bist du ja wirklich ganz gut“ oder „du bist die beste BassistIN, die ich jemals gehört habe“ (dabei kennen sie meistens nur noch zwei). Du wirst halt nicht mit den „echten“ männlichen Bassisten verglichen.

Du bist in Schweden geboren, bist dann mit 19 als Bassistin nach Deutschland gekommen, um dort freiberuflich Musik zu machen. Warum gerade nach Hamburg? Berlin macht sich ja immer mehr auf, in der Musikbranche das Sagen angeben zu wollen und zieht auch massenweise MusikerInnen aus aller Welt an.

Nach meinem Abitur habe ich einem Jahr Jazz studiert in einer Volkshochschule in Nordschweden. Dann habe ich ein Angebot bekommen, für 10 Monate als Au Pair in Berlin zu arbeiten und dachte mir, dass ich vielleicht mal was anders probieren sollte, bevor ich weiter studiere. Musik hat mir sofort gefehlt und ich habe nach Bands in Berlin gesucht, die eine Bassistin gebrauchen konnten. Kurz danach habe ich Felix kennengelernt, der damals Schlagzeug in der Hamburger Band Torpus & die Art Directors gespielt hat. Die brauchten eine Bassistin, wollten mit Young Rebel Set auf Tour fahren und ich dachte, dass ich einfach ein wenig länger in Deutschland bleibe, um zu schauen, wo dass alles hinführen würde. Wegen Torpus bin ich nach Hamburg gezogen und aus 10 Monate sind nun mehr als 10 Jahre geworden!

Für Dich ist wie auch für mich auf LaTrash.de Frauen in der Musikbranche ein wichtiges Thema. Wie hast Du die Musikbranche in Deutschland und die Musikbranche in Schweden in dieser Hinsicht erlebt? Gibt es wesentliche Unterschiede?

Da ich erst 19 war, als ich Schweden verlassen habe, kenne ich mich mit der Musikbranche dort nicht so gut aus, wie mit der deutschen. Aber eine Frauenquote war schon in den 90zigern in Schweden ein sehr großes Thema und viele Musik- und Jazzausbildungen haben schon damals damit angefangen. Mein subjektives Gefühl ist, dass in Schweden heute viel mehr Instrumentalistinnen auf den Bühnen stehen als in Deutschland. Es sind dort tatsächlich nicht mehr so häufig Bands zu sehen, die nur aus cis-Männern bestehen.

Wenn es an weiblichen Instrumentalistinnen auf den großen Bühnen mangelt wird es, glaube ich wie ein Teufelskreis – die Option, als Musikerin zu arbeiten, werden viele junge Frauen und Mädchen dadurch nicht gezeigt.

Das Problem ist auf jeden Fall auch strukturell, ich glaube, dass Mädchen in der Erziehung, in der Schule und von Medien beigebracht bekommen, für andere da zu sein, nicht so viel Platz einzunehmen, eher nach Sicherheit zu suchen, als Risikos einzugehen. Jungs werden wiederum eher dazu erzogen Raum einzunehmen und für sich selbst einzustehen. Wenn dazu noch auf den großen Bühnen keine Frauen, sondern nur Männer stehen, ist es kein Wunder, dass es an Musikerinnen mangelt!

Ich habe auch das Gefühl, dass die Männer- und die Frauenrolle in Schweden weniger konservativ ist, dass die Unterschiede nicht so deutlich sind, was, wenn meiner Hypothese stimmt auch dazu führt, dass sich mehr Frauen trauen eine Karriere als Musikerin zu machen. Noch dazu ist es glaube ich ein bisschen häufiger, dass Männer Elternzeit machen, also nicht nur 2 Monate, sondern für ein halbes Jahr, was für Frauen in heterosexuellen Beziehungen eine Karriere als Musikerin auf jeden Fall leichter macht.

Und was denkst Du, gibt es an Möglichkeiten, die Dominanz weißer Männer in der Musikbranche endlich zu durchbrechen und die Branche vielfältiger werden zu lassen? Es sind ja nicht nur Frauen, die oft unsichtbar und nicht in hohen Leitungspositionen zu finden sind. Auch gerade queere Menschen finden oft keine Sichtbarkeit und kein Gehör.

Ich bin überzeugt davon, dass Quotierung ein richtig guter Weg ist, um das zu ändern. Es geht sonst einfach viel zu langsam.

Wir werden eigentlich schon immer mehr Instrumentalist:innen und ich hoffe, dadurch dass queere Personen langsam auch in der Pop-Kultur (wie in manchen neuen Netflixserien wie Sex Education zum Beispiel) und in sozialen Medien mehr Raum bekommen werden wir hoffentlich auch mehr Diversität auf den Bühnen sowie überall in der Gesellschaft sehen.

Wir müssen uns viel früher, am besten während der Schulzeit mit Themen wie strukturellem Sexismus und Rassismus, Gender, Transgender und verschiedene sexuellen Orientierungen beschäftigen. Es ist so wichtig, dass Heterosexualität und Cisgender nicht als Norm angesehen wird, sondern dass wir vor allem junge Personen darüber informieren, das Sexualität und Gender individuell ist und daher ganz unterschiedlich sein kann.

Ich fühlte mich nie in der Frauenrolle, die wir in der Gesellschaft haben wohl. Ich mag meinen Körper, aber es ist sehr frustrierend für mich, wenn Personen mir anhand meines Geschlechts Charakterzüge zuschreiben wollen.

Erwachsene Personen, die in einer Demokratie leben wollen, müssen auch sehen, dass wir nicht nur Rechte haben, sondern auch eine große Verantwortung! Wenn du in eine wirklich gleichberechtigte Gesellschaft leben möchtest, musst du dich über Sexismus, Rassismus und LGBTQ-Fragen informieren. Es ist deine Verantwortung, zu wissen, was mit strukturellem Sexismus oder Rassismus gemeint ist. Es ist deine Verantwortung, über dein eigenes Verhalten und dein eigenes Privileg zu reflektieren und zu versuchen, eine politisch korrekte Sprache zu verwenden damit destruktive Strukturen nicht weiterreproduziert werden. Das muss für jeden eine Selbstverständlichkeit sein – ist es aber leider nicht.

Dein Debütalbum „Patterns“ ist bei Grand Hotel van Cleef erschienen. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Hamburger Label?

Da ich schon mit Torpus & the Art Directors mit Grand Hotel van Cleef drei Alben veröffentlicht habe, kam es sehr natürlich zu der Zusammenarbeit. Ich hatte schon seit zehn Jahren mit ihnen gearbeitet und mich immer gut mit ihnen verstanden. Daher habe ich Rainer Ott und Malek Scharifi ein Paar Demos gezeigt und gefragt, ob sie irgendwelche Tipps für mich haben, wie ich weiter vorgehen kann. Die beiden hatten ganz schnell Interesse und meinten, dass Grand Hotel can Cleef gerne meine Platte veröffentlichen würden! Politisch und menschlich verstehen wir uns auch gut, was für mich sehr wichtig ist. Ich habe auch gesagt, dass ich mit Jenobi auf jeden Fall ein klares feministisches Vorhaben habe, was die auch gefeiert haben.

Wenn Labels und Bookingagenturen zukünftig mehr darauf achten, Bands zu vertreten, die eben nicht nur zur 100% aus weißen Cis-Männern bestehen, können wir schneller mehr Vielfalt auf den Bühnen erreichen. Ich habe das Gefühl, dass da im Moment viel passiert, bzw., immerhin wird gerade viel darüber gesprochen.

Die Pandemie macht viele Pläne zunichte und Planbarkeit fast unmöglich. Das geht uns allen so. Doch lass mich Dich trotzdem nach Deinen musikalischen Plänen für die kommenden 12 Monate fragen.

Was gut in der Pandemie umsetzbar ist, ist neue Musik zu schreiben. Ich habe schon angefangen für ein neues Album zu schreiben. Sonst mache ich zusammen mit meiner Keyboarderin Lorena Clasen und meinem Schlagzeuger Felix Roll Vorprogramm für Matze Rossi im Mai! Das wird die erste große Clubtour seit der Pandemie sein und ich freue mich tierisch darüber. Wir werden auch bei Husum Harbour und Orange Blossom Special spielen, und ich hoffe, dass noch mehrere Festivals und Touren dazukommen.

Danke für das Interview! Dir alles Gute und viel Kreativität für Deinen weiteren musikalischen Weg und hoffentlich auch bald viele Liveauftritte, um „Patterns“ einem breiteren Publikum vorstellen zu können.

Christel

Jenobi © Casa de Chrisso
Die schwedische Musikerin und Singer- Songwriterin Jenobi © Casa de Chrisso