KYMA © Alexis White

Julius, die erste Frage ergibt sich fast von selbst: Warum KYMA als Pseudonym, welchen Hintergrund hat dieser Name und was bedeutet er für Dich?

Ich wollte einen Namen der nichts bedeutet. Meine Idee dahinter ist, dass der Name die Bedeutung erst nachträglich erfahren sollte. Und so die Leute „Kyma“ einfach nur mit meiner Musik, meiner Meinung und meiner Kunst assoziieren. Im Nachhinein habe ich dann erfahren, dass es auf griechisch soviel wie „Welle“ heißt, und auf türkisch wohl „Hackfleisch“.

Deine erste EP „Unter Ferner Laufen“ erscheint im November. Auch hier ergibt sich die Frage fast von selbst. Warum ausgerechnet dieser Titel? Und warum genau diese Zusammenstellung von Songs?

Ich bin ein großer Fan von diesem Satz. Eigentlich kommt er aus dem Pferdesport. Quasi die Pferde die zu langsam sind und damit nicht erwähnenswert waren für die Rangfolge. Ich lese den Satz aber komischerweise positiv. Für mich ist es das Pardon zu „sein eigenes Ding machen“. Ich will nicht gekünstelt auf „Looser und Außenseiter“ machen, aber fühlte mich schon immer ein bisschen alleine und mit meinen Gedanken wo anders. Aber ich mag es meinen eigene Wege und Irrwege zu gehen und verbinde das mit dem Satz. Es steckt auch ein bisschen Rebellion drin. Gerade im Kontext zur Popmusik heißt das soviel: hier läuft was, das passt jetzt nicht so richtig in den Mainstream, will das aber auch gar nicht. Und damit spiele ich. Dass man sich nicht anbiedern muss und bewusst sagt, das ist Musiker für Leute die anders denken oder anders gesagt: die gar keine Lust haben auf den 1. oder 2.Platz. Eher für die Kids die beim Sportfest mit Krankenschein heimlich geraucht haben und denen Erfolg-Denken immer schon suspekt war. Dazu zähle ich mich auch.

Die Songs sind thematisch sehr unterschiedlich und erzählen alle ihre eigene Geschichte. Ich denke ich wollte nicht die klassischen Liebes oder Party Songs schreiben sondern Platz machen/lassen für die Gedanken der Hörer*innen. Es geht um Luftschlösser die zerfallen in einer neoliberalen Kack-Gesellschaft, das Überwinden von Selbstzweifeln, Feiern und sich Fallenlassen und natürlich: die Raufasertapete in seinem Zimmer abreißen. Ich denke das ist eine gute Mischung und ein guter Anfang. Aber die EP ist nur die Spitze des Eisbergs, es liegen schon sehr viele neue Songs in der Schublade bereit.

Vor wenigen Wochen hast Du Deine aktuelle Single „Chemie“ veröffentlicht. Magst Du etwas mehr über den Track, und die Geschichte dahinter, erzählen?

Ich spreche nicht so gern über den genauen Inhalt der Songs, weil ich merke dass Leute meine Songs immer unterschiedlich lesen. Und den Gedanken daran, dass es immer neue Interpretation meiner Geschichten gibt, finde ich viel zu schön. Das möchte ich nicht mit meiner eigenen Interpretation einschränken.

KYMA – Chemie Cover

Du bringst im Oktober und im November die nächsten beiden Songs an den Start. Warum diese Veröffentlichungs-Methode je ein Song je Monat, und warum genau in dieser Reihenfolge?

Dahinter steckt keine besondere Methode. Aber es ist in der heutigen Zeit leider wichtig sich an gewisse Martkgegebenheiten anzupassen. Vor Allem im Streaming, wenn man noch keine große Fanbase hat. Leider sind Künstler immer wieder darauf angewiesen Algorithmen zu bedienen. Was sehr schade ist und für mich eine katastrophale Entwicklung, weil Streaming einfach unnormal schlecht vergütet ist. Aber gleichzeitig ist der Vorteil, dass wir für jeden neuen Song eine Menge Zeit für die Vorbereitung haben.

Du hast ja nicht gerade eine mainstream-mäßige Singstimme. Was mir übrigens gerade gefällt an Deiner Stimme, weil sie etwas Reibendes, ganz eigenes hast. Wie kam es dazu, dass Du gesagt hast, ich mach mein Ding und singe?

Danke für das Kompliment. Ich bin mit Musik groß geworden, mit Klassik vor Allem, dann Jazz, dann Indie. Dabei habe ich verschiedene Instrumente gespielt und als letztes auch angefangen mit dem Singen. Ich liebe aber auch zu texten und zu schreiben. Deshalb ist Gesang die perfekte Kombination für mich.

Meine Mutter hat mich dabei früh inspiriert und mir Gedichte von Rilke, Schiller oder auch Brambach gezeigt. Mir hat das einfach sehr viel Spaß gemacht mit ihr zusammen zu sein und kleine Gedichte oder Elfchen zu schreiben. Sie hat mir dabei spielend den Mut gegeben mich über die Lyrik auszudrücken. Ich habe schnell gemerkt, dass ich so auch gut meinen Emotionen Ausdruck verleihen konnte und hab die Gedichte irgendwann als Katalysator genutzt.

Und als ich besser Gitarre spielen konnte, saß ich Stunden in meinem Zimmer und hab vor mich hingesungen und mich dabei einfach gut gefühlt. Mich selbst ein wenig geheilt.

Dass ich nun oben auf der Bühne stehe und mich mitteile, bedeutet weniger, dass ich mich groß in den Mittelpunkt stellen will. Mir macht es eher unheimlich Spaß das Publikum zu sehen, wenn es bei den Ansagen lacht oder zu der Musik tanzt.

Anfangs war mein „Ding“ einfach gute Geschichten aufzuschnappen, Erzählungen aus Büchern oder betrunkenen Notizen auf dem Handy mit meinem eigenen Leben zu vermischen und daraus Songs zu bauen. Ich liebe es einfach etwas zu kreieren und finde immer noch ich muss dazu nichts erfinden. Es ist alles schon da. Ich muss es nur finden und zusammen basteln. Mittlerweile gehe ich aber auch politische Themen bewusst an und versuche mit meiner Musik auch eher linke Thematiken in der Poplandschaft zu platzieren. Ich denke einfach nicht, dass sich das ausschließen muss. Es kann auch gute, kontroverse und linke Popmusik geben. Darauf hab ich mega Lust.

Die raue Stimme kommt übrigens daher, dass wir in unserer Schülerband-Phase keine Anlage hatten und ich immer gegen Schlagzeug und Gitarre anschreien musste. Ich war quasi als Teenager dauer-heiser.

Du bist ein sehr engagierter Mensch. Du unterstützt Ex-Nazi-Tattoo-Cover-Up Projekte, was ich schon mal sehr genial finde. Und Du betreust in der JVA Leipzig die „Gefangenen-Zeitung“ der dortigen Insassen. Was treibt Dich dabei an, diese wichtige Arbeit in den beiden Bereichen zu machen? Und warum ausgerechnet Ex-Nazi-Tattoo-Cover-Up Projekte? Du stellst Dich ja damit letztlich auch in ein Schussfeld einer Szene, die brandgefährlich ist.

Ich denke die Gefängnisse in Deutschland sind ein absolut blinder Fleck in unserer Gesellschaft.

Wir haben dort krasse Zustände: Drogen, Gewalt und Infektionskrankheiten sind absoluter Alltag. Aber wir reden nicht über die schlechten Zustände dort, sondern stigmatisieren lediglich die Inhaftierten sowie Ex-Inhaftierten. Doch diese Menschen haben auch eine Stimme und Gedanken, die ich versuche mit meiner Arbeit für die Zeitung „Aufschluss“ sichtbar zu machen. Die Artikel sind von den Inhaftierten selbst und weisen auf Probleme im Strafvollzug hin oder geben Tips in Rechtsfragen.

Im Rahmen der Arbeit entstand dann auch das Projekt mit den Cover-Ups. Die Idee kam im Gespräch mit Inhaftierten, die Aussteiger aus der rechtsextremen Szene sind und auch optisch mit ihrer Vergangenheit abschließen wollten. Da oft das Geld fehlt für eine Laserbehandlung oder ein Cover-Up und ich viele engagierte Freunde habe die tätowieren, konnten wir das Projekt mittlerweile auch schon umsetzen.

Aber ich habe keine Angst vor Nazis. Wir sollten auch keine Angst davor haben Menschen zu supporten, die aus der rechten Szene aussteigen wollen. Und jedes scheiß Nazi-Tattoo ist eins zu viel.

Wenn Deine EP veröffentlicht wurde, was sind Deine Pläne für die nächsten Monate? Wird es Auftritte von Dir geben, und wenn ja, hast Du schon feste Termine? Oder wie sonst können Leute, die Bock auf Deine Musik haben, Dich finden und Deinen weiteren Weg verfolgen – und den Weg Deines sozialen Engagements?

Danach geht es direkt weiter mit neuer Musik. Im Oktober gehe ich nochmal länger ins Studio und wir werden im Dezember einfach weiter neue Songs raushauen. Darauf freue ich mich sehr. Auftritte sind leider nicht geplant, weil es corona-bedingt einfach auch schwer zu planen ist. Gerade Künstler*innen die noch am Anfang stehen, haben momentan kaum Chancen zu spielen. Aber wir werden uns sicher was überlegen, wie wir bald wieder Gigs spielen können. Bis es soweit ist folgt mir gerne auf Instagram @kyma7777 und ihr bekommt alle Informationen die ihr braucht. Vll schreibt ihr mir auch eine Nachricht und wir kommen ins Gespräch. Falls mal nicht soviel los ist auf meinem Kanal, dann nehmt mir das nicht übel. Ich mag Instagram einfach nicht so gerne 😉

Danke für das Interview! Dir spannende Monate mit Deiner Musik und weiter viel Stärke für Dein Engagement!

Christel

Danke dir und vielen Dank für das Interview. Ich wünsche dir auch viel Power und viel Spaß an deiner Arbeit. Ich finde deinen Blog super stark und du machst einen tollen Job! Ich wünsche mir auch mehr Toleranz und Akzeptanz für LGBTQ*s. Mit Diskriminierung und Unverständnis muss Schluss sein. Dafür setze ich mich mit ein. 🌈

Solidarische Grüße,

Kyma

KYMA © Alexis White