Am Freitag letzter Woche hat die Berliner Band Lemonwood ihr Debütalbum Home veröffentlicht. Heute konnte ich mit Justus Maaz, der nicht nur singt, Gitarre und Keyboard spielt, sondern auch der Songschreiber der Indie-Band ist, ein spannendes Interview führen.
Justus, euer Debütalbum ist vor wenigen Tagen erschienen. Wie fühlt sich das an für euch, endlich eure erste eigene Scheibe am Start zu haben und wie war euer Weg dahin?
Mir war klar, dass meine Band irgendwann ein Album rausbringen wird, als ich noch ein Kind war. Deswegen hat das jetzt manchmal was unwirkliches – als wäre das schon lange passiert, nur eben in meiner Vorstellung. Für uns als Band ist es total wichtig, dass endlich mal etwas von uns fertig und Teil der Außenwelt geworden ist. Wir haben wortwörtlich schon Jahre damit verbracht, Projekte nicht fertig zu kriegen. Diesmal habe ich einfach entschieden, dass ich als Produzent das Steuer in die Hand nehme und es auch wirklich fertigstellen werde. Dass es jetzt online zu hören ist, und bei Amazon als Vinyl rumliegt und so, ist schon toll und irgendwie verrückt!
Lemonwood erinnert mich immer an den Song „Lemon Tree“ von Fool´s Garden. Das dürfte auch anderen so gehen. Wie seid ihr auf euren Namen gekommen. Und wie habt ihr als Band zueinander gefunden?
Ja das hören wir immer wieder und ich finde es eigentlich gut, weil es irgendwie Oasis als erste Assoziation abgelöst hat. Irgendwann wird aber der Moment kommen, wo die Leute bei Lemon zuerst an uns denken! Ich meine, neulich hat uns eine Moderatorin mit David Bowie verglichen. Läuft bei uns! Der Name war so halb meine Idee. Ich liebe das Lied Lemonworld von The National und dachte damals, das wäre doch ein guter Name für eine Band. Ich hatte auch mal die Idee, dass wir die erste interaktive Band werden – nämlich ein Freizeitpark, in dem die Leute Trips schmeißen und einmal am Tag spielen wir ein Konzert am Marktplatz. Egal. Jedenfalls hat dann ein Freund von uns – er heißt Hermann – gesagt, wie hießen jetzt Lemonwood, weil er mal auf einem Festival war, was Applewood hieß. Diese Logik war bestechend. Aber ich fand den Namen dann auch irgendwie viel besser und er sieht als Wort geschrieben auch richtig schön aus! Unsere Musik klingt außerdem auch nach Holz und Wäldern aus Zitronenbäumen!
Könnt und wollt ihr euch selbst auf ein bestimmtes Genre festlegen oder musiziert ihr lieber durch verschiedene Welten?
Mir ist eigentlich fast egal, wie man das Genre unserer Musik nennt. Wir sind auch nicht zu originell, um irgendwie eingeordnet zu werden! Wir machen Pop! Und viele unserer Referenzen sind Britpop oder Neo Psychedelic, also kann man gerne auch das über uns sagen! Andererseits denken wir natürlich nicht in den Genres, sondern machen einfach das, was unser Herz uns sagt. Und die Schwäche für viel Hall und Echo ist eben dem Shoegaze nahe, deshalb kann man auch das mal in den Raum werfen. Und lange monotone Songs mit simplen Beats sind halt irgendwie krautrockig, also.. Also wir sagen eben immer, wir machen Psychedelic Pop. Wichtig ist, unsere Songs sind alle wirklich extrem gut und haben große Melodien, also es sollte sich keiner durch irgendwelche Genres abschrecken lassen.
Ihr schreibt eure Songs selbst. Wer bringt sich dabei auf welche Weise beim Lemonwood Songschreiben ein? Und wie arbeitet ihr eure Songs dann aus?
Also bei uns ist das so, dass ich alle Songs komplett alleine schreibe. Normaler Weise bringe ich sie dann irgendwann mit in die Probe und wenn sie allen gefallen, spielen wir sie einfach. Manchmal habe ich sehr genaue Vorstellungen, wie sie klingen sollen und manchmal werfe ich sie in die Runde und sehe zu, was mit ihnen passiert. Manchmal muss ich auch zehn Jahre warten und sie dann nochmal vorschlagen und dann klappts. Am Ende steckt dann meist von allen irgendwas in den Songs, weil jeder ja seine persönliche Note dazugibt, indem er spielt, wie er spielt. Auf dem Album gibt es solche Songs, die sehr von der Performance kommen, wie z.B. I Wanna Be Your Home, bei dem der Schlagzeug-, und der Basstake direkt aus dem Proberaum kommen, und solche, die wir als Band noch kein einziges Mal live gespielt haben, wie z.B: How Long Can You Float (Before You‘re Falling)?, die mir komplett im Studio zugeflogen sind.
Gab es auf eurem Weg MusikerInnen und vielleicht auch KünstlerInnen aus anderen kreativen Bereichen, die euch inspiriert haben.
Ich liebe Jim Jarmush. The Limits Of Control ist mein Lieblingsfilm und der hat mich damals nachhaltig geprägt. Ich glaube, Kunst darf vage sein. Der Mensch ist ein sinnliches Wesen und die Wahrnehmung der Welt – der äußeren und der inneren – ist ein heftiges, psychedelisches Erlebnis. Das Gefühl verbindet alles in einer Überrealität und uns bleibt bei allem immer eine Freiheit: Die Wahrheit und Wirklichkeit des eigenen, subjektiven Empfindens. Ich liebe auch überhaupt das Visuelle, das Photografische, und die Bewegung. Unsere Musik und insbesondere das Album hat glaube ich auch immer wieder diese Momente, die eigentlich sehr cinematisch sind, sehr weit, sehr szeneisch. …What A Peculiar World! Ist so ein Song. Wie eine verschwommene Fotografie, in der sich Innen und Außen überlagern.
Euer Debütalbum „Home“ ist nur auf Vinyl erschienen. Was hat euch zu dieser Entscheidung geführt, nur auf Schallplatte zu setzen und nicht auch auf CD? Und wie denkt ihr über die „Wiederauferstehung“ von Vinyl, die sich ja auch anhand des Record Store Day und den steigenden Verkaufszahlen von Vinyl zeigt?
Also ich persönlich habe ironischer Weise gar keinen Plattenspieler, weil ich fast nur CDs besitze. Aber ich weiß, dass ich damit auf einem absteigenden Ast sitze und unser Management hat entschieden, komplett auf Vinyl zu setzen, weil das einfach der physische Tonträger der Zukunft ist. Ich finde das auch schön, denn eigentlich steht die LP ja so sinnbildlich für das greifbare Werk eines Musikalbums, wie kein anderer Tonträger. Das Format Album, so wie es HOME bedienen möchte, geht ja immer zurück auf Werke, wie z.B. Sgt. Peppers.. Insofern ist es eigentlich ein Statement, eine Schallplatte zu kaufen. Es ist ein Statement für den Wert von Popmusik als Kulturgut und als Kunst und der Ausdruck einer Bereitschaft, dieser Kunst Raum zu geben – und zwar relativ viel, im Falle des Vinyls.
Die Zeiten sind für die Meisten gerade alles Andere als einfach. Wie geht ihr für euch mit dieser Zeit, in der so Vieles nicht möglich inklusive Konzerte mit viel Publikumskontakt, um und wie schafft ihr es, euch trotz der Covid-19-Pandemie kreativ zu sein?
Dass wir keine Konzert spielen können, ist wirklich ein Problem! Es ist schade, weil es sich manchmal gar nicht so anfühlt, als sei man eine Band. Und es ist auch einfach ein schlechtes Timing, so gesehen, dass wir genau in dieser Zeit unser Debütalbum rausbringen und das mit niemandem mal in Gemeinschaft und im physischen Raum teilen und zelebrieren können! Abgesehen vom sehr passenden Albumtitel. Wir sitzen die ganze Zeit nur da und hoffen, dass die Leute auf ihren Endgeräten die Musik anklicken. What A Peculiar World! Immerhin gibt es mit dem Album jetzt genug Songs zu hören! Kreativität gibt es bei mir persönlich gerade weniger, als in dem Jahr, in dem ich im Hyperfokus HOME produziert habe, aber das ist nicht schlimm. Ich bin aber schon manchmal kurz mit einem Auge beim nächsten Album.. trotz Pandemie gibt es also an sich noch Kreativität!
Pläne zu machen, ist im Moment eher schwierig, da keiner von uns weiß, was kommen wird. Lass mich trotzdem nach euren musikalischen Plänen für die nächsten 12 Monate fragen.
Es wird noch eine weitere Single kommen, eventuell auch der ein oder andere Remix von Freunden von uns. Und wir hoffen natürlich, dass wir möglichst bald die Konzerte nachholen können! Wenn nicht, wird wohl oder übel nächstes Jahr ein weiteres Album entstehen – die Songs sind schon alle geschrieben – es wird ein Zeitreisenalbum!
Danke für das Interview und alles Gute für eure weitere musikalische Reise. Und bleibt gesund!
Christel von LaTrash.de
Vielen Dank, Love & Peace!