Montreal im Interview über ihre Werkschau, Füll-Tracks in früheren Jahren und mit dem eigenen Label Amigo Records alles selbst in der Hand zu haben

Zur an diesem Freitag erscheinenden Werkschau „Bestandsaufnahme 2003 – 2021“ konnte ich mit Hirsch von Montreal ein Interview führen. Und mir ging dabei schon wieder mein musikverliebtes Herz auf, weil wenn KünstlerInnen ihr eigenes Ding machen und sich nicht reinquatschen lassen wollen… Doch lest selbst, was Hirsch erzählt.

Euch gibt es jetzt 18 Jahre lang als Band. Am 1. Oktober veröffentlicht ihr mit „Bestandsaufnahme 2003 – 2021“ eure erste Werkschau. Warum erst jetzt, wo doch so manche Bands schon nach viel weniger Jahren ihre erste Compilation raushauen?

Wir haben vorher wirklich noch nie drüber nachgedacht, eine Best-Of rauszubringen und hätten es ohne die lange Pandemie-Pause vermutlich auch so schnell nicht. Aber in der jetzigen Phase kann man das schonmal machen.

Und wie habt ihr euch in den nun 18 Jahren verändert, als Band, als Musiker?

Man sagt uns nach, dass wir inzwischen spielerisch etwas besser geworden sind und wenn ich mir so 15 Jahre alte Live-Mitschnitte auf Youtube ansehe, möchte ich dem nicht widersprechen. Ich glaube aber, egal was man macht, wenn man es 18 Jahre lang macht, wird man im besten Fall automatisch etwas besser.

Wie seht ihr eure Musik heute im Vergleich zu euren Anfängen? Und würdet ihr, in der Rückschau auch der „Bestandsaufnahme“, noch einmal den gleichen Weg gehen?

Unsere Lieder haben sich schon etwas verändert: auf den ersten Alben sind teilweise noch recht lange Lieder mit unnötig aufgeblasenen C-Teilen oder Instrumentalparts, so was versuchen wir heute zu vermeiden, wodurch unsere Lieder inzwischen eher 2-3 als 3-4 Minuten lang sind.
Zudem sind auf den ersten Alben noch recht viele „Füll-Tracks“, einfach weil wir von Label/Management zwischen hunderten Konzerten direkt wieder ins Studio geschickt wurden, ohne dass ein Album oder auch nur ein halbes fertig geschrieben worden wäre – da ist dann sehr viel in letzter Sekunde im Studio geschrieben worden und das wirkt sich nicht immer positiv auf die Qualität aus. Inzwischen gehen wir wirklich erst ins Studio, wenn der absolute Großteil der Lieder schon steht und wir uns im Studio um die Feinheiten kümmern können.

Ihr habt euer eigenes Label Amigo Records. Wie kam es damals zur Gründung und habt ihr in der Zukunft vor, auch andere KünstLerInnen oder Bands unter eure Label-Fittiche zu nehmen?

Wir haben die ersten drei Alben über ein Label rausgebracht, wo ich damals auch gearbeitet habe. Da konnte ich mir also sehr genau ansehen, wie man Platten rausbringt, aber eben auch, welche Fehler man machen kann. Nachdem wir uns von dem Label getrennt haben, war für uns klar, dass wir das ab jetzt komplett selber in der Hand haben und alles selber machen wollen, damit uns da A keiner reinquatscht und B auch keiner unnötig Kohlen für sich abzwackt. Andere Bands rauszubringen war und ist nicht unser Plan. Wenn mal ne befreundete Band eine Labelcode braucht um was zu veröffentlichen, ok, aber richtig Platten anderer Künstler*innen zu „arbeiten“ ist null unsere Motivation. Das kann jede Band im Zweifel selber am besten und sollte sich trauen, das auch zu versuchen. Wir stehen unserem Umfeld aber natürlich jederzeit und gern mit Rat und Tat zu Veröffentlichungen zur Seite.

Montreal – Bestandsaufnahme 2003 – 2021 Cover
Montreal – Bestandsaufnahme 2003 – 2021 Die erste Werkschau der Punkrock-Band

Die Tracklist für „Bestandsaufnahme 2003 – 2021“ habt ihr von euren Fans wählen lassen. Und seid ihr selbst als Band „zufrieden“ mit der Auswahl oder hätte es noch den einen oder anderen Track gegeben, den ihr gerne auf eurer ersten Werkschau gehabt hätte?

Wir sind 100%ig zufrieden und obendrein heilfroh, das wir so nicht die schwere Qual der Wahl hatten. Wenn Best-Ofs von Bands oder gar Plattenfirmen zusammengestellt werden ist es oft einfach nur die Sammlung aller Singles – die Idee unserer „Bestandsaufnahme“ war, dass unser Publikum unabhängig davon ob Single, kommerziell erfolgreich oder so die Lieder raufpackt, die am besten gefallen und die man Freunden vorspielen würde, um die Band vorzustellen und idealerweise schmackhaft zu machen. Und das ist wunderbar gelungen, da sind einige Lieder drauf, die wir nicht auf dem Schirm gehabt hätten.

Überhaupt Werkschau. Ist das nicht auch eine Art Schnitt für euch?

Der Schnitt ist eher die Pandemie. Wir sind seit über 18 Jahre quasi durchgehend im Album-Tour-Festivals-Album-Tour… Modus, ich wage zu bezweifeln, dass wir ohne Pandemie mal eine derartige Pause eingelegt hätten, einfach, weil wir immer noch so viel Spaß daran haben. Dass jetzt diese Zwangspause von aussen kam, hat uns vielleicht sogar ganz gut getan und die hat uns eben auch zu dieser Werkschau gebracht, die so dann eben unser Pre-Corona-Treiben zusammenfasst, aber wir haben schon vor, da noch einiges nachzulegen.

Im August wart ihr auf Tour, am 1. Oktober kommt die Werkschau. Wie wird es danach für euch weitergehen? Werdet ihr weitere Konzerte geben, oder euch ins Studio zurückziehen und an neuen Songs arbeiten?

Das hängt nach wie vor natürlich sehr von den äußeren Faktoren ab. Sowie man wieder 2G Konzerte spielen kann, werden wir das natürlich auch tun, wir schieben schließlich seit Frühjahr 2020 eine Tour durch die Gegend und die wollen wir jetzt endlich auch spielen. Gleichzeitig basteln wir aber auch schon an neuen Liedern, um danach und wenn sich alles vielleicht etwas normalisiert hat, unser erstes Post-Corona-Album rauszuhauen.

Danke für das Interview! Euch alles Gute auf dem Weg zur nächsten Werkschau und auf noch viele gute neue Songs!

Christel

Die Punkband Montreal © Steffen Neumeister
Montreal veröffentlichen 2021 ihre Bestandsaufnahme 2003 – 2021 © Steffen Neumeister