NELAVIE im Interview über ihren Song Teilzeit Feminist, Frauen in der Musikbranche, Inspiration und wie sie überhaupt zur Musik kam

Die Singer-Songwriterin NELAVIE hat nicht darauf gewartet, von jemandem „entdeckt“ zu werden, sondern hat sich aufgemacht, ihren eigenen Weg in der Musik und in der Musikbranche zu gehen. Und weil das schon mal ein fett großer Grund ist, die österreichische Musikerin zu supporten, kam ich natürlich an einem Interview mit ihr nicht vorbei. Und freue mich sehr darüber, was am Ende alles an Antworten kamen. Doch lest selbst!

Mit Deinem Song „Teilzeit Feminist“ bist Du in Österreich medienmäßig recht präsent. Wie kam es zu diesem Song, und was ist Deine Intention und Deine Botschaft dahinter?

Ursprünglich wollte ich diesen Song gar nicht veröffentlichen. Erst als ich ihn mir selbst so oft in meinen Memos angehört habe und gemerkt hab, wie gut er mir tut, habe ich ihn auch anderen vorgespielt. Es war sowohl erschreckend als auch etwas Verbindendes, Schönes, wie viele Frauen sich in diesem Song wiedergefunden haben.

Feminismus ist so ein großes Schlagwort in Politik, Arbeitswelt und auf der Straße aber was mich in meinem Song beschäftigt – wie gehen wir damit ganz im Privaten um? Innerhalb einer Beziehung, einer Freundschaft oder Flirt? Wenn man nicht einfach aus der Tür gehen, die Person meiden möchte? Wo sind unsere „blinden Flecken“ im Alltagsfeminismus? In wie weit „muss“ ich mich als Frau damit überhaupt beschäftigen und eine Pionier- bzw. Erziehungsarbeit übernehmen?

Ich möchte mit dem Song das Reflektieren des eigenen Handelns anregen – mehr darüber zu sprechen und sich gegenseitig zuzuhören. Die Bewegung muss gemeinsam passieren (unabhängig vom Geschlecht). Die große Schwierigkeit dabei, dass wir uns oft sehr schwer tun mit Kritik, es schnell an unserem Ego kratzt und die Angst des Teilens, eine Verlustangst auslöst. Aber das muss es definitiv nicht sein. Veränderung ist auch nicht bequem aber die einzige Möglichkeit weiter zu kommen. Und umso privilegierter, desto weniger Notwendigkeit sieht man meist dafür. So die Herausforderung eines (Teilzeit) Feministen/Feministin.

Lena, Du bist Sängerin, schreibst Deine Songs selbst und produzierst Deine Musik auch noch selbst. Ein Bündel an Kreativität. Wie kamst Du zur Musik? Und dazu, letztlich alles selbst zu machen?

Musik war irgendwie immer schon Teil meines Lebens aufgrund der Tatsache, dass mein Vater schon mein ganzes Leben lang hauptberuflich Musiker für Kinder ist und ebenfalls alles eigenständig macht. Ich fuhr also schon als Kind viel mit zu seinen Konzerten und stand leidenschaftlich gerne auf der Bühne. Ich habe dadurch nicht nur Einblick bekommen, wie es ist AUF der Bühne zu stehen, sondern auch in die Arbeit dahinter und drum herum. Ich habe dadurch immer schon mehr den realistischen als den naiven/träumenden Blick auf das Musiker*innen Dasein bekommen. Deshalb habe ich auch nicht darauf gewartet, von irgendjemanden „entdeckt“ zu werden. Mir war schnell klar, dass wohl niemand rein aus Liebe zu meiner Kunst meine Musik rausbringt, sondern vordergründig aus eigenem wirtschaftlichen Interesse. Deshalb bin ich selber ins Tun gekommen.

Ich bin ein Mensch, der auch privat gerne in einen 1:1 Austausch geht. Intensive Gespräche machen mich auch ein Stück weit aus, und daraus entstehend denke ich auch meine Musik. Mit Gesang und minimalistischer Begleitung, lässt es einen Raum offen, in dem ich die Zuhörer*innen direkt ansprechen kann. In Bezug auf die Zusammenarbeit mit Labels, Managements und Künstler*innen bin ich aber weiterhin offen, wenn Werte und Ziele matchen.

Den Spotify-Kanal von Nelaviefindet ihr hier.

Welche KünstlerInnen haben Dich auf Deinem Weg in die Musik inspiriert? Aus der Musik selbst, aber auch aus anderen Kunstbereich? Und gibt es jemanden, dessen Inspiration Du maßgeblich dafür nennen würdest, wo Du heute als Singer-Songwriterin stehst?

Inspiration für meine Musik finde ich vor allem im Alltag – ganz unromantisch und pragmatisch. 😀

Ich schreibe Geschichten, die mich oder mein Umfeld beschäftigen. Die täglichen Fragestellungen, Aufgaben, mit denen wir struggeln. Deshalb sind mir der Austausch mit Freund*innen und Familie am meisten Inspiration. So zeigt sich auch oft, dass wir mit unseren – wie wir meinen -„eigenen“ Problematiken und Themen oft gar nicht so allein sind, wie wir denken. Das liebe ich ja am Musikmachen – ich beschreibe die Situationen – zum Glück muss ich keine Lösungen dafür haben. Und die Kunst lässt uns oft leichter unsere Emotionen zeigen und greifen. Verschachtelungen von Sätzen und Reimen machen sich da ganz selbstständig und mir einfach Spaß – daraus Metaphern, Bilder und Narrative zu formen. Das mag ich zb. auch am HipHop sehr gerne.

Frauen in der Musikbranche ist für mich auf LaTrash.de ein wichtiges Thema. Gerade Du, die Du alles selbst machst, hast sicher auch noch so einiges dazu zu sagen. Was brennt Dir dazu besonders auf den Nägeln und wo würdest Du Dir Veränderung in der Musikbranche wünschen?

Gerade die Musikbranche in Österreich ist ja eigentlich nicht sehr groß. Letzten Endes kommt es immer darauf an – wen man kennt. Die Medienwelt spielt darin auch eine große Rolle, in der es auch schwer ist, den eigenen Wert zu definieren – sprich, wie viel orientiert man sich an den Werten der anderen und wo fangt man selbst eigentlich an? Wie viel Spielraum lässt die Musikbubble zu? In wie weit „soll“ ich mich zB. einem „Radiosound“ angleichen, einem Algorithmus auf Spotify entsprechen oder aus dem Content auf Social Media hervorstechen?

Authentisch soll man sein, etwas was so einfach zu sein scheint, ist oft ein schwieriger Spagat zwischen Kunst und Vermarktung. Wenn ich mir also etwas wünschen könnte: Weg von patriarchaler Freunderlwirtschaft – einen tatsächlich transparenten und kunstfördernden Umgang in der Musik- & Medienwelt und weniger beschäftigt zu sein mit der Kunst des Umhüllens eines scheinbar nicht kommerziellen Kommerz‘.

Ich möchte auch wahnsinnig gerne mehr mit Frauen in der Produktion zusammenarbeiten. Sprich Tontechnikerinnen, Fotografinnen und Produzentinnen u.v.m. Mein Musikvideo zu „Teilzeit Feminist“ habe ich gemeinsam mit einer aufstrebenden Filmemacherin (Daniela Jud) umgesetzt, bei dem wir beide die Regie und Creative Direction übernommen haben. Es hat mich allerdings erschreckt, wie schwierig es zunächst war sie – sprich eine Videografin – zu finden, obwohl ich so aktiv gesucht habe. Das zeigt wiedermal, wie unterrepräsentiert Frauen in technischen Berufen werden, und wie viel wir hier an Sichtbarkeit noch zu erkämpfen haben. Schlussendlich war bei meiner Suche das österreichische Filmemacherinnen Netzwerk FC Gloria sehr hilfreich.

Die Pandemie hat uns alle in ein anderes Leben gerissen. Wie bist Du in den Zeiten des Lockdowns und des großen Abstand halten müssens mit Deiner Kreativität umgegangen und wie hat Dich diese Zeit beeinflusst als Künstlerin?

Ich hatte das Glück, dass mit Beginn der Pandemie der österreichische Radiosender Fm4 auf mich aufmerksam wurde. Diese Airplays, die Veranstaltung des Protestsongcontest, der größtenteils online stattgefunden hat, und Einladungen zu Interviews, haben mich musikalisch sehr in dieser Zeit beschäftigt.

Die Inspiration, Online Konzerte zu geben, hatte ich im Gegensatz zu vielen anderen Musiker*innen überhaupt nicht und haderte manchmal damit. Letzten Endes bin ich aber froh, ohne ausgekommen zu sein. Das einzige „Online-Konzert“, wenn man es so nennen will, war dann der Protestsongcontest bei dem ich den 2. Platz mit meinem Song „Teilzeit Feminist“ gemacht habe. Diesen durfte ich zu meiner Freude nicht aus dem Wohnzimmer live streamen, sondern im ORF Funkhaus im Studio II performen, was dann im Nachhinein im Wiener Rabenhoftheater und im Radio ausgestrahlt wurde.

Was steht für Dich musikalisch an nach „Teilzeit Feminist“? Eine EP? Ein Album? Oder welche Pläne hast Du für die kommenden Monate?

Mein Release zu „Teilzeit Feminist“ und die Konzerte am Volksstimmefest, Donauinselfest und bei Fm4 bringen mich immer noch zum Grinsen und ich hoffe, dass auch der Herbst, trotz Pandemie weiter Konzerte zulassen wird. Das nächste Ziel ist definitiv meine EP, an der ich gerade arbeite. Da ich hier auch alles selbst mache, kümmere ich mich momentan um Artwork, Presswerk sowie Förderungen für die finanzielle Unterstützung.

Danke für das Interview! Ich wünsche Dir eine Menge guten Spirit für Deinen weiteren musikalischen Weg!

Christel

Die österreichische Singer-Songwriterin NELAVIE ©Martin Phox
Die österreichische Singer-Songwriterin NELAVIE © Martin Phox