Vor kurzem hat er sein erstes Solo-Album „Ära des Lichts“ veröffentlicht, das sich in einigen Jahren als Meilenstein und Wendepunkt im deutschen Hip Hop erweisen könnte. Im Interview mit LaTrash.de spricht Arthur Rayden über Inspiration, Deutsch-Rap und Gesellschaftskritik, wie wichtig Vielfalt in der Musik ist, über Cybermobbing und darüber, dass das Leben immer neue Chancen bietet.

Arthur, Du bist schon so lange in der deutschen Hip Hop-Szene unterwegs, hast aber erst jetzt Dein erstes eigenes Album „Ära des Lichts“ veröffentlicht. Warum hat es so lange gedauert bis zu Deinem Solo-Debüt?

Alles was ich jetzt sage könnte nach einer Ausrede klingen, oder? Ich weiß es selbst nicht so genau. Ich schätze Hip Hop war für mich über längere Zeit hinweg ein „Crew-Ding“, also verbunden mit meiner Crew Illyricum. Zu vielen Songs hat mich erst mein langjähriger Bühnen-Partner Mars of Illyricum inspiriert.

Zwischendrin gab es dann durchaus auch eine längere Phase, in welcher die Prioritäten abseits von Musik lagen. Ich wurde dann über die Jahre immer mal wieder darauf angesprochen, ob ein Album kommt – und irgendwie entwickelte sich dann auch der eigene Wunsch danach. Den letzten Ausschlag hat dann der Kontakt zu dem Rapper und Produzent Borisk gegeben. Ich habe das Album in seinem Studio aufgenommen und er hat fast alle Beats auf dem Album produziert. Und ein weiterer neuer Kontakt war entscheidend: BBoy Zerk von den Southside Rockers, der mit der aus meiner Sicht genialen Umsetzung der Musikvideos für einen Motivationsschub bei mir gesorgt hat.

In „Ära des Lichts“, dem Titel-Track des Albums, geht es mächtig zur Sache in Sachen Gesellschaftskritik. Was hat Dich zu dem Song inspiriert?

Es war zuerst der Beat von Borisk da, und ich wusste dass ich ihn für den Titel-Track verwenden will. Bei einem einzelnen Spaziergang habe ich dann den Text dazu geschrieben.

Wer mich näher kennt der weiß ja, dass ich die Dinge gerne kritisch hinterfrage und eben meine eigenen Ansichten habe. Und ich finde es wichtig ein „mündiger“ Bürger und Mensch zu sein. Ich finde es z.B. bemerkenswert dass ein Wort wie „Querdenker“ heutzutage per se schon negativ behaftet wird. Dabei ist das kritische Hinterfragen stets die Grundlage für neue Erkenntnisse, ja sogar die Grundlage wissenschaftlichen Handelns. Ohne Zweifel und eigenes kritisches Denken würden wir alle auf der Stelle treten. Je mehr Zweifler und Querdenker, desto mehr neue Erkenntnisse und Fortschritt ist möglich. Und darum geht es in gewisser Weise in dem Song: „Folge deinem eigenen inneren Licht, lasse dich nicht durch den Mainstream blenden und lenken.“ Die Metapher des Lichts ist also zweideutig: Es gibt das „falsche“ Licht welches dich von Außen davon ablenkt du selbst zu sein – und es gibt das eigene innere Licht, welches für deine eigene Wahrheit steht.

Sollte Deutschrap eine neue Richtung einschlagen? Ja, definitiv. Lyrischer und rebellischer Rap mit gesellschaftlich relevantem Inhalt fehlt mir und ist fast nicht vorhanden. Zumindest im Mainstream.

Arthur Rayden

Dein Song „Kirschbaum“, der auch auf Deinem Solo-Debüt vertreten ist, ist ein sehr persönlicher Song. Wie kam es zur Entstehung dieses Liedes?

Ich verarbeite in dem Song eine wahre Begebenheit. Aus Respekt vor der Person möchte ich allerdings nicht zu viel darüber öffentlich erzählen. Mir ist es viel mehr wichtig in diesem Zusammenhang auf folgende Dinge aufmerksam zu machen: Es geht immer weiter, das Leben eröffnet stets neue Chancen und es gibt niemals einen Grund aufzugeben, es spielt dabei keine Rolle was du gerade durchmachst. Deine Existenz ist wichtig, denn du wurdest genau so erschaffen wie du sein sollst, das Universum wollte genau dich haben und keinen Anderen. Alleine deshalb schon bist du wichtig. Jeder Mensch ist einzigartig und trägt das Wunder des Lebens in sich. Geht nicht leichtfertig damit um und setzt es nicht in Gefahr, vor allem in den anonymen Zeiten des Internets – denke immer daran, hinter dem Bildschirm sitzt ein Mensch, so wie du selbst.

Du bist gebürtiger Ukrainer und bist erst im Alter von neun Jahren nach Deutschland gekommen. Trotzdem schreibst Du Deine Texte in Deutsch, was ich sehr bemerkenswert finde. In meiner Review zu „Ära des Lichts“ hatte ich ja schon geschrieben, dass das für mich von einer unglaublichen Sprachbegabung zeugt. Wie kam es dazu, dass Du die deutsche Sprache so sehr verinnerlicht hast?

Vielen Dank für das Kompliment. Mir wird tatsächlich immer mal wieder eine gewisse Sprachbegabung nachgesagt, vielleicht ist es irgendwie genetisch – mein Vater war auch gut in Schulaufsätzen und hat später u.a. als Dolmetscher gearbeitet.

Meine Eltern haben von Anfang an darauf geachtet mich zu integrieren und mich in ein deutsches Umfeld zu stecken. Trotzdem war es nicht einfach, z.B. in den ersten Jahren Freunde zu finden. Ich habe dann eben viel gelesen und Musik gehört. Durch Bücher und deutschen Hip Hop habe ich mir vielleicht etwas schneller als üblich die deutsche Sprache beigebracht.

Und was würdest Du anderen Kindern und Jugendlichen sagen, die erst im Kindesalter nach Deutschland gekommen sind, um ihnen Mut zu machen, hier trotz der Unterschiede ihren Weg zu gehen?

Steht zu euch selbst und eurer ursprünglichen Kultur, aber grenzt euch nicht ab. Geht auf die anderen zu, ihr seid mitverantwortlich. Erwartet nicht dass euch alles zugeflogen kommt. Stellt nicht immer nur die Anderen in die Bringschuld, Integration ist beidseitige Verantwortung. Schließt nicht von einem Menschen auf den anderen, gebt jedem Menschen eine neue Chance. Und dem einen oder anderen auch eine Zweite. Es ist kein Nachteil, sondern ein großer Segen und eine Bereicherung zwei verschiedene Kulturen zu kennen. Denn dieser innere Vergleich gibt euch die Möglichkeit manche Dinge besser zu hinterfragen und dabei eure eigenen Ansichten herauszufinden. Verfallt nicht in die Opferrolle, ihr seid etwas Besonderes.

Du hast sehr früh mit Rappen begonnen. Was hat Dich damals zum Hip Hop gebracht? Und was hat Dich dabei bleiben lassen, auch wenn vielleicht andere Genres ein weiteres Feld an Möglichkeiten mit sich gebracht hätten, „bekannt“ zu werden?

Ich habe in den 90ern Hip Hop kennengelernt, es gab viele Veranstaltungen und eine rasant wachsende Szene. Mich hat das Miteinander fasziniert, das ich dort angetroffen habe, sowie die vielen kreativen Ausdrucksmöglichkeiten. Ich hatte den Eindruck dass man in diesem Umfeld besonders offen aufeinander zuging, das hat mir sehr gut getan damals. Ich habe viele Künstler kennengelernt, mit welchen ich bis heute Kontakt halte. An Hip Hop Musik im Speziellen hat mich beeindruckt, wie viele sprachliche und inhaltliche Facetten sie hatte. Von Humor bis zu tiefgründiger Poesie, es gab eine große Vielfalt. Andere Genres kamen für mich nie wirklich in Frage, dafür hatte ich mich zu sehr der Rapmusik verschrieben. Die Gangsterrap-Epoche war dann nicht mehr so wirklich mein Ding. Sie hat Rapmusik in Deutschland zwar zu großem kommerziellen Erfolg verholfen, doch für mich kam es nie wirklich in Frage mir ein falsches Image anzulegen und zu versuchen da mitzumachen. Ich glaube jedoch bis heute dass man mit jeder Nische erfolgreich sein kann, es gibt genug Hörer für jede Stilrichtung.

Arthur Rayden veröffentlicht Solo-Debüt Album Ära des Lichts © Ondro
Arthur Rayden © Ondro

Und wie hast Du es in all den Jahren geschafft, Dir selbst treu zu bleiben, was ja nicht immer leicht ist in einem Genre, wo sich nicht wenige tummeln, denen es weniger um die Inhalte, denn um den Fame und die Scheine geht?

Ich habe einfach nie versucht mich zu verstellen. Ich finde an kommerziellem Erfolg nichts per se Schlechtes. Doch ich bin der Meinung dass den Charts mehr Vielfalt gut tun würde. Es gibt so viele Geschichten zu erzählen, so viele Themen, ich kann mir selbst nicht erklären warum gerade im Deutschrap so oft inhaltlich das selbe Lied in tausend Varianten gesungen wird. Ich finde es jedenfalls schade. Vielleicht sollten die Hörer auch einfach mal wieder bewusster diejenigen Künstler unterstützen, die inhaltlich mehr zu bieten haben und diese Vielfalt aufweisen. Zum Beispiel durch gezielte Download-Käufe. Ich denke das Problem liegt mitunter darin dass die große Masse häufig vorgefertigte Playlisten konsumiert und sich die bewusste Wahl damit abnehmen lässt.

Vor einiger Zeit hatte ich im Fernsehen einen Bericht über Hip Hop in Russland gesehen und dass sich dort nur wenige Rapper trauen, überhaupt den Mund aufzumachen und wenn, dann fast nur „weichgespült“. Dadurch werden meiner persönlichen Ansicht nach viele Chancen der Kritik, die ja durch die Kunst ganz besonders stark transportiert werden kann, vertan. Denkst Du, es ist an der Zeit, dass Deutsch-Rap in eine neue lyrische Richtung geht, zugleich aber vermehrt kritische Themen anspricht und ansprechen muss, was Du ja beides tust?

Genug Potenzial hat Rapmusik jedenfalls dafür. In keiner anderen Musikrichtung geht es so viel Platz für Textinhalte. Ich würde es jedenfalls begrüßen wenn dieser Platz öfter mit relevanten Themen gefüllt werden würde als es derzeit der Fall ist. Rap kann definitiv viel mehr als nur weichgespültes Entertainment sein. Und nur wenige Musikrichtungen haben so einen rebellischen Hintergrund wie Hip Hop. Wer sich ein wenig darüber informiert hat wie Hip Hop ursprünglich entstanden ist, der weiß was ich damit meine. Zur Situation in Russland kann ich nicht so viel sagen, außer dass ich durchaus einige sehr gute Rapper mit Inhalt kenne, z.B. Oxxxymoron.

Sollte Deutschrap eine neue Richtung einschlagen? Ja, definitiv. Lyrischer und rebellischer Rap mit gesellschaftlich relevantem Inhalt fehlt mir und ist fast nicht vorhanden. Zumindest im Mainstream.

Wegen des Teil-Lockdowns können weiter keine Konzerte stattfinden. Wie gehst Du für Dich mit dieser Zeit um? Und auch wenn es gerade deshalb sehr schwer ist, in diesen Zeiten Pläne zu machen, wie sehen Deine musikalischen Pläne für die nächsten 12 Monate aus?

Am schwersten fiel es mir keine Releaseparty zu meinem Album veranstalten zu können. Das war definitiv anders geplant und ich hoffe es irgendwann nachholen zu können. Ich nutze diese Zeit um produktiv zu sein, verbringe viel Zeit mit der Familie und auch mit mir selbst. Im nächsten Jahr habe ich vor mit Mars of Illyricum ein weiteres gemeinsames Album zu beenden, da haben sich über viele Jahre noch unveröffentlichte Songs angesammelt. Und ich will den momentanen Schaffensdrang nutzen um mein zweites Soloalbum zu beginnen.

Arthur Rayden – Ära des Lichts

Danke für das Interview! Dass ich „Ära des Lichts“ genial finde, hast Du ja schon in meiner Album-Review gelesen. Ich bin sehr gespannt auf das, was noch so von Dir kommt und wünsche Dir alles Gute für Deine weitere musikalische Reise. Und bleib gesund!

Christel

Ich bedanke mich für die toll geschriebene Album-Review und für das Interview. Ich finde es sehr bemerkenswert, wie du dich mit Musik inhaltlich wirklich auseinandersetzt. Und ich glaube dass Redakteure wie du viel bewegen können, ich wünschte es gäbe mehr davon. Bleib ebenfalls gesund, viel Erfolg und alles Gute!