Kill Her First © Angela Regenbrecht

Sie haben sich aufgemacht, für mehr Sichtbarkeit von queeren MusikerInnen in der Metal- und Hardcore-Szene zu kämpfen. Da war es natürlich mehr als naheliegend, für LaTrash.de mit der Berliner Band KILL HER FIRST ein Interview zu führen. Gero (Gesang) und David (Schlagzeug) haben die Fragen beantwortet und dabei so einiges Wichtige vom Stapel gelassen.

Vor all den anderen Fragen natürlich die Frage nach eurem Bandnamen. Wie seid ihr auf KILL HER FIRST gekommen? Das klingt ja recht brachialisch, hat aber vermutlich auch eine klare Botschaft. 

David: Der Name klingt erstmal wie eine mutige Ansage: „nur über meine Leiche“. Aber für uns steckt darin ein tieferes Motiv, das sich auf historische und sogar biblische Erzählungen zurückleiten lässt. Die Gegner*innen sehen oft keinen anderen Weg, als den oder die Erstgeborenen zu töten, um seine Macht zu erhalten. Dennoch überlebt der Funke und lässt sich nicht ersticken. So geht es auch uns als Band – wir gehen unseren Weg.

Gero: Als wir damals nach einem Namen gesucht haben, wollten wir etwas Aufrüttelndes, es sollte neugierig machen und auch ein bisschen empören. Da ich alte Geschichten und Mythen liebe, erschien uns das schicksalhaft, vor allem im Nachhinein.

Anfang Dezember erscheint eure neue EP „Empty Hands“. Die erste Single daraus ist „This Ain’t Cherry-Picking Party“. Ein krasser Song, und auch hier haut hier wieder eine Botschaft raus. Warum genau diese Nummer als erste Single? Ich mag die Nummer übrigens, weil sie auch viel von eurer individuellen Musikalität zeigt und nicht nur von euch als gesamte Band.

David: Genau genommen ist es nach „Borders“ schon die zweite Single – aber wir genießen, wie eingängig und heavy dieser Song ist. Nach ungewissen zwei Jahren ist der Song für uns ein Symbol, allein lyrisch.

Gero: Dieser Song ist sehr geradeaus, kompromisslos – wie ein Schlag ins Gesicht. Es war uns wichtig, mit diesem Song eine Botschaft von Empowerment zu senden: Nehmt euer Schicksal in die eigene Hand.

David: Wie es im Titel heißt: Das Leben macht es einem nicht leicht, aber wir ducken uns nicht weg. Pure Energie – das sieht man auch in unserem Musikvideo, das wir mit John Richter gedreht haben.

Neben „This Ain’t Cherry-Picking Party“ gibt es noch drei andere Songs auf „Empty Hands“. Warum habt ihr euch für genau diese Zusammenstellung entschieden? Und wie seid ihr auf den Titel der EP gekommen, es gibt ja keinen Titeltrack dazu? 

David: Das Fragment „empty hands“ stammt aus den Lyrics unseres Tracks „Dead Between The Lines“. Im Kern geht es um das Durchschreiten einer schwierigen Zeit und den gefühlten Neubeginn mit leeren Händen. Für mich sind die leeren Hände aber auch ein Symbol der Hoffnung und der Freiheit. Es war für uns ein passendes Bild für diese Platte, die wir größtenteils während der Unsicherheit in der Pandemie geschrieben haben.

Gero: Genau, das kann so vieles bedeuten! Wer nichts in der Hand hält, kann sich selbst definieren. Am Ende einer turbulenten Beziehung, eines Jobs oder auch nur einer schweren Nacht fühlt man sich völlig leer, aber man startet neu.

Ihr habt euch aufgemacht, für mehr Sichtbarkeit von queeren Musiker*innen in der Metal-/Hardcore-Szene zu sorgen. Ein hehres Ziel. Und für mich als queerer Mensch natürlich ein wichtiges Anliegen. Ich mag Metal, schreibe aber nicht darüber, weil mir die Vielfalt fehlt und sich Vieles irgendwie sowieso nur gleich anhört. Denkt ihr, es wird sich was bewegen in der Metal-Szene in den kommenden Jahren? Versteckt wird es sicher, wie in jeder Musikszene, queere Menschen geben, nur eben im Schrank. Und was denkt ihr, könnt ihr bewegen, als Band, aber auch als einzelne Musiker*innen?

Gero: Auf jeden Fall! Es ändert sich täglich etwas. Ob es im Metal oder auch Hip Hop ist, gerade öffnen sich viele Grenzen im Bezug auf queere Musiker*innen. Ich finde das super! Meine Freunde und ich wären als Jugendliche froh gewesen, zu sehen, wieviele wir sind. Ich versuche, meinen Teil beizutragen und hoffe, damit auch unsichere Menschen zu motivieren, sich selbst zu akzeptieren und zu lieben.

Und wie habt ihr eigentlich zusammengefunden? Queer trifft ja nicht gerade queer in der Metal/Hardcore-Szene. 

Gero: Ich habe früher fast zehn Jahre in einer Punk-Rock-Band gespielt. Als wir uns auflösten, spürte ich plötzlich ein riesiges Loch in meinem Leben. Auf einer Berliner Emo-Rock-Party fand ich dann den Mut, etwas Neues zu probieren. Ich fragte zwei Bekannte und los ging’s. Inspiriert von der Band Kittie wollte ich ein All-Female-Projekt starten. Ich war ziemlich genervt vom Männerüberschuss in der Musikszene. Ich habe zu der Zeit im Berliner Club Magnet gearbeitet und jeden Abend Bands im Haus gehabt – zu 95% Herren am Instrument.

Ihr veröffentlicht euren Stuff seit Jahren bei KROD Records. Wie kam es damals zur Zusammenarbeit mit dem Label? Und was macht das für euch besonders, ausgerechnet dort eure Musik rauszubringen? 

Gero: Für uns war immer schon klar: Wir arbeiten nur mit Menschen zusammen, die sich ehrlich und bewusst mit uns beschäftigen. Jordan wohnte damals noch in Frankreich und wir waren sporadisch in Kontakt. Allerdings war er von Beginn an interessiert, er hat unsere Message sofort verstanden. Als er uns dann in Berlin besuchte, war es Liebe auf den ersten Blick. Seitdem sind wir ein Dream Team.

David: Jordan ist genau richtig für uns – er ist Teil unserer Familie und steckt genauso viel Leidenschaft rein, wie wir. Im Roster von KROD sind wir nicht nur Teil einer deutschen Szene, sondern vielmehr einer europäischen – mit spannenden Bands von Frankreich bis England.

Im Herbst letzten Jahres sollte auf mehrere EPs von euch ein Album erscheinen. Gekommen ist es dazu nicht. Dafür kommt jetzt eine neue EP. Hat die Pandemie euch so sehr ausgebremst oder hatte das auch noch andere Gründe? 

David: Die Pandemie hat uns schon etwas aufgerüttelt. Wir konnten nicht zusammen schreiben und proben wie es der Plan war. Am Ende wollten wir trotzdem ein für uns schlüssiges Produkt präsentieren.

Gero: Die Pandemie war sicher einer der größten Gründe, warum wir uns für eine EP entschieden haben. Ich denke außerdem, dass die Zeit des klassischen Albums vorbei ist. In Zeiten von Streaming haben Bands ganz andere Ausdrucksmöglichkeiten und können in kürzerem Abstand veröffentlichen.

David: In diesem Fall haben wir nur vier Songs, aber vier sehr starke. Die Essenz unserer Band in diesem Moment. Und besonders stolz sind wir auf die Partner*innen, mit deren Hilfe wir dazu ein visuelles Paket schnüren konnten. Videos – und ein tolles Vinyl-Artwork, dass im Februar endlich kommt.

Ihr seid eine Berliner Band. Doch es gibt nicht nur in der Hauptstadt MusikerInnen, die queer sind und deren Herz für Metal schlägt. Was würdet ihr gerade jungen queeren MusikerInnen raten, die Bock auf Metal und Hardcore haben, aber sich in ihrem Dorf oder in ihrer Kleinstadt völlig alleine fühlen damit? 

Gero: Baut euer Netzwerk auf! Es ist wichtig, sich nicht allein zu fühlen. Geht auf Konzerte, trefft euch online, tut euch zusammen und legt einfach los. So beginnt alles.

Die Pandemie ist noch nicht vorbei und es ist nach wie vor schwer, Pläne zu machen. Doch lasst mich trotzdem nach euren musikalischen Plänen für die kommenden 12 Monate fragen. 

David: Die Pandemie hat auf jeden Fall einige Pläne verändert, aber wir sind trotzdem voller Tatendrang. Unsere EP kommt im Februar auf Vinyl heraus (nach ihrem digitalen Release im Dezember), zusammen mit mindestens einer weiteren Single und einem Video. Und dann sind wir bereit, viele Shows mitzunehmen. Das erste Festival ist bereits für September gebucht. In jedem Fall freuen wir uns darauf, wieder zu fünft in einem Raum zu spielen.

Danke für das Interview! Und Danke, dass ihr euch so sichtbar macht. Davon braucht es noch viel mehr, nicht nur im Metal, sondern generell in der Musik. Und viel Erfolg euch mit eurer neuen EP. 

Christel 

Kill Her First © Angela Regenbrecht
Die Berliner Metal/Hardcore-Band Kill Her First © Angela Regenbrecht