Lisa Spielmann hat mit ihrer neuen Single „Aufm Deich“ musikalische Akzente gesetzt. Ein guter Grund, mit Lisa ein Interview zu führen, über ihr neues Lied, was sie während des Lockdowns gemacht und über Frauen in der Musikbranche.
Lisa, Deine neue Single „Aufm Deich“ ist vor einiger Zeit erschienen. Magst Du ein wenig was über den Song erzählen und Deine Intention dahinter?
Ich wollte das Ende meiner letzten Beziehung lange Zeit nicht wahrhaben, wir haben gekämpft, versucht die Transformation eines Liebespaares in eine platonische Freundschaft zu verhindern – vergeblich. Und dann, in einem Urlaub, wortwörtlich aufm Deich, bin ich nachts neben meinem Freund Fahrrad gefahren (es war eigentlich total romantisch, sternenklare Nacht, Mondschein) und dann haben wir uns kurz in die Augen gesehen und wussten beide: es ist vorbei und es ist gut so. Ein Ende (ausnahmsweise) ganz ohne Groll. Einfach nur das „Ende einer Ära“.
Und auch in dem Video, das zusammen mit Jakob Reuter entstanden ist, wollten wir diesen Moment der Akzeptanz und der Schönheit in einer eigentlich aussichtslosen Situation darstellen. Dabei haben wir einer tristen Betonwelt Leben eingehaucht und wortwörtlich das Spielmannsland mit Wasser geflutet. Der Dreh war für mich körperlich und psychisch sooo anstrengend, aber genau wie der Song ein wunderbares Mittel zu versuchen eine Trennung zu verarbeiten.
Du bezeichnest Dich selbst als musikalischen Paradiesvogel. Warum ausgerechnet dieses „Label“?
So hat mich mal eine Kollegin genannt. Ich habe mich damals nie so richtig getraut mit meinen Songs rauszugehen und mein eigenes Ding zu starten, deswegen hat sie mal frech über mich gesagt: „Lisa? Sie ist ein Paradiesvogel, der denkt er sei ein Hühnchen.“ Und das hat es für mich richtig auf den Punkt gebracht und mich auch inspiriert, meine Bunt- und Verrücktheit zu akzeptieren und mich in den Pop-Djungle zu trauen – musikalisch endlich flügge zu werden.
Du bist nicht nur Sängerin, sondern schreibst Deine Songs selbst und bist auch als Produzentin unterwegs. Wie hast Du die letzten Monate, in denen der Lockdown die Musik- und Kulturbranche so brach hat liegen lassen, erlebt? Und woher hast Du die Kraft und die Inspiration genommen, weiterzumachen?
Ich muss sagen, nachdem ich den Schlag vor den Kopf und meine plötzliche Arbeitslosigkeit irgendwie verkraftet hatte, konnte ich die Zeit wirklich gut für mich und mein damals beginnendes Solo-Projekt nutzen. Ich habe echt alles gegeben, mich voll reingestürzt, all meine Kraft und meinen Mut zusammengenommen um endlich den Traum einer eigenen Platte zu realisieren. Ich habe hart gearbeitet und an vielen Stellen einfach richtig Glück gehabt: Die Förderung der Initiative Musik, Newcomerin des Jahres bei DeutschFM, ein Crowdfunding und die Veröffentlichung von vier Singles, Videos und einer EP auf Vinyl. #luckylisa
Und das Schönste dabei war, dass ich so viel Feedback von meinem Umfeld, anderen Musiker*innen und ganz fremden Leuten bekommen habe, denen ich mit meinem Projekt in diesen verrückten Zeiten auch ein bisschen Kraft und Mut geben konnte. Das wiederum hat mir einen enormen Antriebsschub verpasst! Ich bin der Spielmannsgäng wirklich unendlich dankbar für ihren unglaublichen Support.
Apropos Inspiration: Gibt es KünstlerInnen, aus der Musik und vielleicht auch aus anderen Künsten, die Dich besonders inspiriert haben auf Deinem Weg?
Als Jugendliche hat mich Nessie, die Gitarristin von Farin Urlaub total inspiriert. Mir war gar nicht bewusst, dass auch Frauen mit einer Gitarre auf der Bühne stehen können und dann noch eine ganze Frauenband. Das fand ich so stark!!
Heute sind es Künstler*innen wie Antje Schomaker, Bilderbuch, Laing oder Deichkind.
Für Dich ist das Thema Frauen in der Musikbranche sehr wichtig. Für mich ist es wichtig, dass female Artists auf LaTrash.de viel Raum bekommen. Wo siehst Du die Probleme für Künstlerinnen in der Musikbranche ganz besonders krass? Und wie ist Deine Wahrnehmung hinsichtlich Reviews/Interviews und Radio Air Play? Sind da männliche Künstler wirklich bevorzugt? Radio kriege ich in Ermangelung von Radio hören nicht mit, aber in Zeitschriften und auf Blogs habe ich das Gefühl immer wieder. Und da bin ich nicht die Einzige, ich weiß.
Ich habe das Gefühl, dass es nicht nur ein Problem in der Musikbranche ist, sondern ein generelles Problem in unserer Gesellschaft, wie Frauen wahrgenommen und bewertet werden und das ist oftmals eher nach ihrem Aussehen und nicht nach ihrem Können.
Auch ich habe es regelmäßig erlebt, dass ich als Sängerin in eine Schublade des Dummerchens gesteckt wurde, die nicht weiß wie ihr Amp angeht oder und der man nicht zutraut einen Song zu schreiben oder geschweige denn einen zu produzieren.
Vielen Menschen ist es vielleicht nicht bewusst, aber Frauen* sind auf den Bühnen, im Radio und in den Playlisten immer noch unterrepräsentiert und ein Moersfestival mit 50/50 Line-Up bleibt die Ausnahme. (Dazu muss man sagen, dass bei solchen Zählungen schon Acts mit einer Frau in der Band als female Act gezählt werden. Das kann es doch nicht sein!) Die Zahlen sehen also (noch) nicht gut aus. Aber ich habe die Hoffnung, dass desto mehr Vorbilder auf der Bühne zu sehen sind, eine Bewusstwerdung stattfindet und sich langfristig auch etwas ändert. Auch in den Musikhochschulen, Radios und Studios dieser Welt. 😉
Und was denkst Du, können Frauen, die bereits in der Musikbranche tätig sind oder dort „Einlass“ finden wollen, tun, um sich in dieser Männerdomäne durchzubeißen und durchzusetzen?
Ist „Durchbeißen“ nicht schon Teil des Problems? Ich würde lieber fragen, wie man es schaffen könnte, dass Frauen* mehr Lust daran haben einzusteigen, Instrumentalistin oder Producerin zu werden. Es fehlt an Vorbildfunktionen. Warum sollte eine Tochter Lust bekommen Schlagzeug zu spielen, wenn sie noch nie eine Schlagzeugerin irgendwo gesehen hat? Vielleicht wäre es ein Anfang, dass alle weiblichen Akteurinnen der Musikbranche sich weiter zusammentun, netzwerken, sich unterstützen, Vorbilder suchen, sich sichtbar machen und zusammen den Mund aufmachen. Deswegen habe ich mich schon vor einiger Zeit einem Kollektiv angeschlossen „MusikNRWwomen*“. Dort organisieren wir zum Beispiel Konzerte und Streamingreihen und tauschen uns aus, um uns gegenseitig stark zu machen.
Wird auf Deinen neuen Song „Aufm Deich“ auch ein Album von Dir folgen? Und wie sehen Deine Pläne für die nächsten zwölf Monate aus? (Ja, schwer zu beantworten in diesen Zeiten, ich weiß)
Also dieses Jahr ist noch so einiges los im Spielmannsland. Das Musikvideo von „Aufm Deich“ wurde bei ein paar Festivals nominiert. Da darf man uns gerne die Däumchen drücken. 🙂 Nächste Woche gehe ich wieder ins Studio und arbeite zusammen mit meinen tollen Produzenten LUF an neuen Songs. Ich gründe gerade eine Band, um die neue EP „Kamikazebaby“ auch live umzusetzen und dann wird es auch noch ein neues Video geben. Also hier ist immer was los!
Danke für das Interview! Ich wünsche Dir noch alles Gute für Deine weitere musikalische Reise. Und halt mich gerne auf dem Laufenden, was es so Neues von Dir gibt! Christel
Ich danke dir, liebe Christel für deine Fragen und deine Zeit! Ganz liebe Grüße aus dem Spielmannsland, deine Lisa.